
Jazz bildet die Klangkulisse für Johan Grimonprez‘ dokumentarische Auseinandersetzung mit dem Staatsstreich gegen Patrice Lumumba, dem ersten demokratisch gewählten Premierminister des Kongo, und mit den damit verbundenen internationalen Spannungen im Jahr 1960. Jazz ist aber nicht lediglich titelgebender Soundtrack to a Coup d’Etat, sondern ebenso Dreh- und Angelpunkt der historischen Ereignisse, von denen der Film erzählt: Berühmte Jazz-Musiker*innen werden im „battle for men’s minds“ von der US-Regierung als kulturelle Botschafter entsandt, während in den USA noch die Rassentrennung herrscht – auch in den Kongo, obgleich dort bereits eine Verschwörung unter Beteiligung der USA im Gange ist. Der Kampf afrikanischer Staaten für die Dekolonisation, die Ideen des Panafrikanismus, der Ost-West-Konflikt, die Rolle der UNO und die amerikanische Bürgerrechtsbewegung sind Schauplätze der materialreichen Inszenierung einer westlichen Intrige gegen die kongolesische Unabhängigkeit.
Soundtrack to a Coup d’Etat behandelt nicht nur die Geschichte der Dekolonisation, der sich auch Mouhamadou El Hady Ba in seiner Mosse Lecture „Decolonial Coups d’etat?“ widmet, Grimonprez‘ Film berührt auch die andauernden Kämpfe von Schwarzen Menschen gegen Rassismus, Unterdrückung und (Neo-)Kolonialismus insgesamt. Virtuos und dynamisch wie die Rhythmen des Jazz, machen Erzählweise und Schnitt den Film zu einem einzigartigen sinnlichen Erlebnis. (hem)
Stefan Willer ist Professor für Neuere deutsche Literatur an der Humboldt-Universität zu Berlin
Soundtrack to a Coup D'Etat
- BEL/FR/NL 2024
- DCP
- OmU
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R/B: Johan Grimonprez, K: Jonathan Wannyn, S: Rik Chaubet, 150’