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Mathias Barkhausen

Unter dem Pflaster ist der Strand

Sous les pavés, la plage. Die deutsche Version dieses Spruches im Filmtitel verweist auf die revolutionären Utopien der Pariser Mai-Unruhen und die politische Aufbruchsstimmung um 1968 und gibt dem Film von Helma Sanders-Brahms seinen Bezugs- und Angelpunkt. Sieben Jahre später mag von der Revolution keine Spur mehr übrig zu sein, oder doch? Die Beziehung des Schauspielerpaares Grischa und Heinrich (gespielt von Grischa Huber und Heinrich Giskes) scheint jedenfalls spätestens mit der ungeplanten Schwangerschaft Grischas an der Diskrepanz von Erwartung und Realität in die Brüche zu gehen. Während Heinrich sich in seiner postrevolutionären Depression in die Zweierbeziehung flüchten will, derer er jedoch nicht fähig zu sein scheint, wendet sich Grischa der Suche nach dem politischen Kollektiv außerhalb des Privaten zu.

In die bereits durch die Improvisationen der Schauspieler-Figuren brüchige Fiktion mischen sich Interviews mit realexistierenden Frauen, die Grischa mit einem Tonbandgerät aufnimmt. Sie möchte wissen, ob sie schon mal abgetrieben haben, wie sie Arbeit und Kinder vereinen und ihre Liebesbeziehungen strukturieren. Frauensolidarität erscheint als universelles Prinzip und wird der Depression/Regression (des Mannes) und der Resignation/Isolation (im Privaten) entgegengesetzt. Der titelgebende Strand, den wir zu Anfang und am Ende des Filmes nur hören können, eröffnet laut Natalie Lettenewitsch einen Möglichkeitsraum („Der Strand unter den Pflastersteinen“, 2019). Und dieser erscheint eng verbunden mit Fragen der Reproduktion. (fib)