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5 Bemerkungen zum Dokumentarfilm

Dass Film immer nur partielles Wissen ist, zeigt sich bereits im Titel von Was ich von Maria weiß, Gisela Tuchtenhagens Abschlussfilm an der dffb. Ein Film über das Leben der 13-jährigen Maria aus Spanien, die mit ihren Eltern und ihren drei Geschwistern seit vier Jahren in Deutschland wohnt. Sie erzählt von den Schwierigkeiten in der Schule, von Rassismus und Klassismus. Filmen heißt Gesprächspartner zu sein, wie der Kameramann Rudolf Körösi es in 5 Bemerkungen zum Dokumentarfilm beschreibt, Cinema verité als wirkliche Begegnungen mit wirklichen Leuten.

Dokumentarfilm als Mittel zur Gegendarstellung – gegen die vorherrschenden Bilder der Massenmedien, die sich nicht mit der Realität decken, sie schlimmstenfalls verfälschen oder verschleiern: 5 Bemerkungen zum Dokumentarfilm ist Bestandsaufnahme der Bedingungen des Dokumentarfilmmachens im westdeutschen Fernsehen der 1970er Jahre und persönliche Verortung der Filmemacherin. Neben den ökonomischen, technischen und historischen Bedingungen ist das Eigene immer Teil des Filmemachens, wie hier durch Einbezug biographischer Linien von Peter Nestler oder Klaus Wildenhahn deutlich wird: Aufgewachsen im Nachkriegsdeutschland, sind ihre Filme in besonderer Weise vom Kampf gegen den Faschismus geprägt und der Sichtbarmachung marginalisierter kommunistisch-proletarischer Geschichte gewidmet, die sich hier in Filmzitaten und Gesprächen zeigt. (fib)

Der Mann mit der roten Nelke

Zwei Filme über die Arbeit beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen: Dietmar Schönherr, der Mann mit der roten Nelke, wohlbekannter Schauspieler und Fernsehmoderator, wird von Gisela Tuchtenhagen und Klaus Wildenhahn bei der Vorbereitung seiner letzten beiden Folgen der Sendung Je später der Abend begleitet. Die erste sogenannte „Talkshow“ im deutschen Fernsehen war Sammelplatz verschiedenster prominenter Personen mit dem neuartigen Konzept des unterhaltsamen Gesprächs.

Der gemeinsame Blick hinter die Kulissen von Wildenhahn und Tuchtenhagen korrespondiert mit Tuchtenhagens Filmessay 5 Bemerkungen zum Dokumentarfilm über die Bedingungen des Dokumentarfilmmachens in Westdeutschland. Eine Bestandsaufnahme, die selbst im sogenannten „golden age of television“, wie die 1970er Jahre oft beschrieben werden, nicht sehr rosig ausfällt. Von der Diskrepanz zwischen kollektiver Produktionsweise und den realen öffentlich-rechtlichen Strukturen berichten unter anderem die WDR-Redakteurin Angelika Wittlich und der nach Schweden ausgewanderte Peter Nestler, der für seine engagierten Filme in Deutschland keinen Sender mehr fand. Die 5 Bemerkungen zum Dokumentarfilm stellen eine Sammlung filmischer Einflüsse dar und enden mit einer Widmung an diejenigen, die mit Film etwas verändern wollen und trotz großen Gegenwindes politisches Fernsehen machen.

Die Linie zur Wildenhahnschen Schule ist klar offengelegt, zitiert wird aus seinen zwölf Lesestunden Über den synthetischen und dokumentarischen Film (1973). Dessen Thesen über dokumentarischen Film werden filmisch dargestellt und unter anderem die Notwendigkeit öffentlicher Gelder und eines funktionierenden Gruppenzusammenhanges am Beispiel der britischen Dokumentarfilmbewegung nach John Grierson beschrieben. Eine Kritik an der Verachtung der Zuschauenden und das Plädoyer für ein Fernsehen, das diese ernst nimmt. (fib)