
In Hollywood war Anna Sten eine Außenseiterin. Ihr Privatleben behielt sie für sich, glamouröse Auftritte und die Sensationsgier der Presse interessierten sie kaum, mit Skandalen konnte sie nicht dienen. Nach drei großen Hollywoodfilmen und jahrelangen Versuchen von Samuel Goldwyn, einen Star nach seinen Vorstellungen zu formen, endete ihr Vertrag und man verbuchte sie kühl als Fehlinvestition. Der erste Film, den Sten danach außerhalb des Studiosystems drehte, entstand unter der Regie ihres Ehemanns Eugene Frenke in Großbritannien nach einer Story von Fedor Ozep, mit dem sie bereits in der Sowjetunion zusammengearbeitet hatte.
Wie in Der Mörder Dimitri Karamasoff und We Live Again spielt die Geschichte im Zarenreich, wie zuvor kulminiert die dramatische Handlung in einem Gerichtsprozess, in dem auch die patriarchale Ordnung zur Verhandlung steht. Sten spielt eine stolze, intelligente Frau aus der Unterschicht, die sich in einen hohen Offizier verliebt und später zwar einen einfachen Soldaten heiratet, doch ihre alte Liebe nicht verleugnen kann. A Woman Alone ist voller Reminiszenzen an Hollywood, wie die weichgezeichneten Großaufnahmen des Stars zeigen, und es ist ein Exilfilm, wie sich an der Mitwirkung von Frenke, Ozep und Sten sowie des in Ternopil geborenen Komponisten Karol Rathaus und des in Charkiw geborenen Autors Leo Lania ablesen lässt. Bis zu ihrer Emigration nach Hitlers Machtantritt leisteten sie bedeutende Beiträge zum deutschen Film- und Kulturschaffen. (ps)
Wir zeigen eine 35mm-Kopie aus dem Archiv des British Film Institute, London.
Ivan Kozlenko ist Filmhistoriker, Kurator und Archivar. Er ist Gründer des Stummfilmfestivals in Odesa, war Leiter des Dovzhenko-Zentrums in Kyjiw und arbeitet aktuell an der Cambridge Universität in England. Er forscht seit vielen Jahren zur Biografie und zum Werk von Anna Sten.
A Woman Alone
- GB 1936
- 35mm
- OV
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R/P: Eugene Frenke, B: Warren Chetham Strode, Leo Lania, Fedor Ozep, K: Jack E. Cox, M: Karol Rathaus, D: Anna Sten, Henry Wilcoxon, Viola Keats, John Garrick, Esme Percy, 75‘