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Einführung: Philipp Stiasny

„Ich bin zu Gruschenka gekommen. Und schon war ich verloren!“ So beschreibt Dimitri Karamasoff (Fritz Kortner) seine erste Begegnung mit der jungen Geliebten seines alten, gebrechlichen Vaters. Er verbietet Gruschenka (Anna Sten) den weiteren Kontakt mit dem Vater und kann doch nichts dagegen tun, dass es ihn, den stolzen, eifersüchtigen, aufbrausenden Offizier in der Armee des Zaren, zu ihrer klaren Schönheit, ihrem eigensinnigen Charme, ihrem selbstbewussten Temperament hinzieht. Als sein Vater ermordet wird, fällt der Verdacht auf ihn.

Auch wenn Fritz Kortner in der Titelrolle deutlich aktiver ist, bildet Anna Sten das Gravitationszentrum: Um ihre Gunst, ihr Lächeln, ihre Vitalität buhlen die Männer. Wie wenig sie dabei dem Klischee der Femme Fatale oder des Vamps entspricht, zeigt sich besonders am Ende ihres aufsehenerregenden Tonfilmdebüts. Unter der Regie ihres ersten Ehemanns Fedor Ozep entstand ein dramatischer, spannender, im Klanglichen innovativer, visuell eindringlicher Film, doch die eigentliche Sensation war Sten als Gruschenka. Es war diese Rolle, die den Hollywoodmogul Samuel Goldwyn davon überzeugte, dass Sten ein Weltstar sein könne. Auf der Stelle nahm er sie unter Vertrag. „Ein Experimentierfilm und ein Publikumsfilm. Ein Ereignis. (…) Buch, Bild, Ton, Schauspielkunst, Musik (Karol Rathaus), Einzeldarstellung und Ensemble sind zu einer hinreißenden Wirkung gesteigert. Diesen Film muß sich jeder ansehen, denn er vereinigt alles, was vom Blauen Engel bis zu den Russenfilmen an Versuchen geleistet worden ist. Er ist der beste Tonfilm in deutscher Sprache.“ (Herbert Ihering, Berliner Börsen-Courier, 8.2.1931) (ps)

Wir zeigen die Restaurierung der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung von 2021.

Philipp Stiasny ist Filmhistoriker, Dozent und Redakteur der Zeitschrift Filmblatt. Er ist Kurator der Anna Sten-Retrospektive.

Der Mörder Dimitri Karamasoff