
Die Idee zu Die Reise von Petersburg nach Moskau hat ihren Ursprung im 1790 erschienenen namensgleichen Roman von Alexander Radischtschew – einer literarischen Stimme gegen die Unterdrückung der Menschen, die als Gefahr verunglimpft wurde. Zarin Katharina II. sprach zunächst ein Todesurteil aus und schickte Radischtschew später in die sibirische Verbannung. In der Sowjetunion galt seine Kritik an den Verhältnissen im Zarismus als maßgeblich für die sozialistische Idee.
200 Jahre später und nur wenige Monate vor dem Zerfall der Sowjetunion begibt sich Viola Stephan wieder mit einem kleinen Team auf eben diese Wege zwischen St. Petersburg und Moskau. Für die Filmemacherin eröffnet die Reise eine Möglichkeit des Perspektivwechsels und eine eigene Zeitlichkeit. Eine Frau klagt am Straßenrand ihr Leid, eben noch aus dem Haus gekommen, um nachzusehen, ob Butter zu bekommen ist. Es braucht Zeit, um mit den Menschen in Kontakt zu kommen. Sie sprechen über Ängste, erzählen von ihren Familien, glücklichen Fügungen oder ihrer Haltung gegenüber Gorbatschow. Stephan montiert dies präzise als Mosaik einer Gesellschaft zwischen Tanzclub, Kadettenschule und Gesangsverein – als würden wir selbst durch die Kleinstädte laufen und die Gespräche führen, die uns die Folgen politischer und wirtschaftlicher Entscheidungen vermitteln, ohne dabei die Stimme der Menschen – ganz im Sinne von Radischtschew – aus den Augen zu verlieren. (vb)
Wir zeigen ist die digitale Restaurierung von 2025.
Die Reise von Petersburg nach Moskau
- D 1991
- DCP
- OmeU
-
R/B: Viola Stephan, K: Pavel Lebeshev, S: Yvonne Loquens, 116'