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Mit wuchernder Fantastik und groteskem Humor entwirft der von den Nazis ermordete Dichter Bruno Schulz in seinem Erzählband Das Sanatorium zur Todesanzeige ein privatmythologisches Universum der unwiederbringlich versunkenen jüdischen Lebenswelt in Ostgalizien. Eine Traumlandschaft der Visionen und Obsessionen, die ihm den Ruf eines geistigen Zwillings von Franz Kafka eingebracht hat. Wojciech Jerzy Has erhielt für seine später zensierte Adaption des Stoffes 1973 den Spezialpreis der Jury in Cannes.

Film wie Buch erzählen die sonderbare Geschichte des polnischen Juden Józef, der ein Sanatorium besucht, in dem sein übermächtiger Vater Jakub nach dem Tod verweilt. Es folgt eine Reise in die tiefsten Schichten des Unbewussten und Imaginären, dorthin, wo die Zeit aus den Fugen gerät und sogar rückwärtsläuft. Has inszeniert den bizarren Trip als Metapher auf Identitätssuche und Errettung eines kollektiven Gedächtnisses: Jedes Mal, wenn Józef unter das Bett des Vaters kriecht, taucht er in die surreal anmutende Welt seiner Kindheit hinab, in den Mikrokosmos eines osteuropäischen Schtetls zu Beginn des 20. Jahrhunderts – eine Lebenswelt, die mit ihrer wundersamen Mixtur von Kulturen längst dem Untergang geweiht ist. (mwa)