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Einführung am 09.07.: Gary Vanisian

Lommels erster Vorstoß in das True Crime-Genre widmet sich dem berüchtigten Serienmörder Fritz Harmann, dem „Werwolf von Hannover“, der zur Zeit der Weimarer Republik über 20 Kinder und junge Erwachsene brutal ermordete und ihre Leichen zerstückelte. Bis heute ist ungeklärt, ob Haarmann seine Opfer tatsächlich zu Wurstwaren verarbeitete – ein Gerücht, das in Die Zärtlichkeit der Wölfe bekräftigt wird und für einige grimmige Pointen sorgt. Anstatt die spektakulären Potentiale des Falls drastisch auszubeuten, rückt Lommel aber vor allem Haarmans unglückliches Begehren gegenüber einem verbandelten Gannoven in den Fokus und zeichnet den von Kurt Raab mit Nosferatu-Anleihen verkörperten Killer als autoritären Spießbürger, der Gefallen daran findet, unter Duldung der Polizei die sozial Abgehangenen im Zwielichtmilieu zu gängeln.

Durch die Verlagerungen des Geschehens von den 1920ern in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg wird der stilistisch deutlich an Fassbinders damalige Regiearbeiten anschließende Film auch als scharfsichtige Allegorie auf die NS-Zeit und den deutschen Umgang mit ihr lesbar. 1973 lief Die Zärtlichkeit der Wölfe im Wettbewerb der Berlinale und ist seitdem Lommels am positivsten rezipierter Film geblieben. (Christian Lenz)