
Anna Stens erster deutscher Film führt mitten hinein ins Berlin der Wirtschaftskrise und in die Not der Ausgestoßenen. Zugleich begeistert Sten als Frischverliebte: So fröhlich und ausgelassen, so übermütig wie beim Ausflug mit ihrem neuen Freund ins Strandbad, beim Planschen und Rudern sehen wir sie danach vielleicht nie wieder. Im Mittelpunkt steht ein kleinbürgerlicher Patriarch (Hermann Vallentin), dessen Welt zusammenbricht, als er im Zuge der Rationalisierung seine Stellung verliert. Er sucht nach neuer Arbeit, doch vergebens. Als auch noch seine Tochter (Anna Sten) gegen seinen Willen eine Beziehung mit einem einfachen Arbeiter (Iwan Kowal-Samborski) anfängt, wird ihm klar, dass seine Zeit abgelaufen ist.
Zwei Jahre vor dem von Bert Brecht verfassten Arbeiterfilm Kuhle Wampe oder Wem gehört die Welt (1932) mit seiner Verklärung der kommunistischen Jugend und des revolutionären Geistes stimmt die früh verstorbene Regisseurin Marie M. Harder (1898-1936) in Lohnbuchhalter Kremke einen anderen Ton an. In dokumentarisch-harten Bildern und Montagen liefert die Leiterin des Film- und Lichtbilddienstes der SPD eine Beschreibung der Zustände. Anna Sten und Iwan Kowal-Samborski, die das deutsche Publikum schon in Das Mädchen mit der Hutschachtel (1927) als Paar kennengelernt hatte, repräsentieren die Zukunft, die Hoffnung. „Wiederum erkennt man jetzt, wie wundervoll diese beiden menschlich geraden Darsteller sich gegenseitig ergänzen. Für sie gilt, wie für Vallentin: Hier verlor die große darstellerische Kraft alle Schlacken des Artistischen und wurde wieder einfaches überzeugendes Leben.“ (Hamburger Echo, 15.11.1930) (ps)
Premiere der digital restaurierten Fassung der Deutschen Kinemathek von 2025.
Günter A. Buchwald ist Pianist, Violinist, Komponist und Dirigent. Mit dem Schlagzeuger und Perkussionisten Frank Bockius bildet er ein weltweit gastierendes, kongeniales Stummfilm-Duo.
Julia Wallmüller ist Teamleiterin für die Digitalisierung des nationalen Filmerbes in der Deutschen Kinemathek.
Lohnbuchhalter Kremke
- D 1930
- DCP
- Stummfilm (deutsche ZT)
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R: Marie M. Harder, B: Herbert Rosenfeld, K: Franz Koch, Robert Baberske, D: Hermann Vallentin, Anna Sten, Iwan Kowal-Samborski, Inge Landgut, Wolfgang Zilzer, Else Heller, 55‘