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Hier Strauss – D.A. Pennebaker Meets F.J.S.

Mit dem Aufkommen von portablen 16-Millimeter-Kameras und Synchronaufnahmegeräten revolutionierte und entfesselte sich ab den 1960er-Jahren der Dokumentarfilm: Filmemachern war es nun möglich, ohne große Teams, akkurate Vorplanung und Drehbücher reale Akteure in weitgehend ungestellten Settings aufzuzeichnen und den authentischen Ton vor Ort einzufangen. Zur Maxime wurde eine Praxis des Dokumentarischen, die auf einen möglichst unmittelbaren Realitätseindruck zielt und sich durch Nicht-Intervention in das Geschehen, den Verzicht auf nachträglich hinzugefügte mediale Effekte und betont ungeschliffene Gestaltungssignaturen auszeichnet.

Bis heute ist dieser fly on the wall-Ansatz vor allem mit dem US-amerikanischen Direct Cinema assoziiert. Einer der zentralen Protagonisten dieser Strömung, D.A. Pennebaker, drehte auch einen Film in der Bundesrepublik, das Politiker-Porträt Hier Strauss - D.A. Pennebaker Meets F.J.S. Mit mobiler Kamera begleitete der Regisseur den damaligen Fraktions- und Landeschef Franz Josef Strauß aus nächster Nähe, rückte vermeintliche Nebensächlichkeiten und private Momente in den Fokus und suchte so abseits kalkulierter öffentlicher Auftritte einen Zugang zu dem streitbaren CSU-Hardliner. (chl)

Der Polizeistaatsbesuch – Beobachtungen unter deutschen Gastgebern

Stark beeinflusst vom Direct Cinema war die sogenannte Stuttgarter Schule, eine Gruppe von Fernsehdokumentaristen des Süddeutschen Rundfunks, die sich meist ohne deutende Off-Kommentierungen den Widersprüchen und Verwerfungen der Wirtschaftswunder-Jahre annahmen. Die politisch brisanteste Arbeit, die im Umkreis dieser Bewegung entstand, ist Der Polizeistaatsbesuch von dem Schweizer Regisseur Roman Brodmann. Der mit drei mobilen 16mm-Crews parallel aufgezeichnete Film registriert zunächst Vorbereitungen auf den Empfang des iranischen Schah-Ehepaars Mohammad Reza Pahlavi und Farah Diba in der Bundesrepublik und verdichtet dann wichtige Stationen der Staatsbesuch-Reise, bevor er sich aus unmittelbarer Vor-Ort-Perspektive auf die von Polizisten und „Jubelpersern“ niedergeknüppelten Westberliner Proteste gegen das iranische Regime konzentriert. Aufgenommen wird dabei auch der folgenreiche Mord an dem Studenten Benno Ohnesorg. (chl)

Tor 2

Stärker als leichte 16mm-Kameras mit Originaltonausrüstung begünstigte die Einführung von Super-8-Material und Video-Apparaturen eine Demokratisierung und Dezentralisierung des dokumentarischen Arbeitens. Entscheidend war dafür zunächst der günstige Preis von Super-8, der es breiteren Schichten ermöglichte, sich an der Bewegtbildproduktion zu beteiligen, und es Filmemachern erlaubte, sich scheinbar unspektakulären und lokal begrenzten Ereignissen zuzuwenden. In diesem Sinne dokumentiert der gemeinschaftlich produzierte und als Solidaritätsfilm geplante Tor 2 ohne jede auferlegte Ereignishaftigkeit die Geschehnisse während eines Stahlarbeiterstreiks in der Silvesternacht 1978/79. (chl)