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Alma Mater

Alma Mater  BRD 1969, R: Rolf Hädrich, B: Dieter Meichsner, K: Jost Vacano, Peter Arnold, Richard Igunbor, D: Karl Guttmann, Erika Dannhoff, Hans Baur, Hans Bausch, Til Erwig, Rainer Rudolph, Claus Theo Gärtner, Ronald Nitschke, Wilfried Herbst, Andras Fricsay, 88’ · Digital SD FR 14.12. um 21 Uhr + SA 15.12. um 19 Uhr · Einführung: Jan Gympel Angesichts der ideologischen Gängelung und der Bedrohung missliebiger Personen an der im Sowjetsektor gelegenen Humboldt-Uni war 1948 in West-Berlin die Freie Universität gegründet worden. Der daran beteiligte Dieter Meichsner hatte diesen Vorgängen bereits 1954 mit seinem Roman „Die Studenten von Berlin“ ein literarisches Denkmal gesetzt. 1968 sahen er und sein einstiger Kommilitone, der renommierte Fernsehregisseur Rolf Hädrich, ihre Alma Mater erneut durch totalitären Gesinnungsterror bedroht: In den Debatten um eine Reform der Hochschule legen Gruppen zunehmend militanter „Aktivisten“ den Lehrbetrieb lahm, wer ihnen zu widersprechen wagt, wird niedergebrüllt oder sogar körperlich angegangen. Meichsner kleidete dies, durchaus polemisch, in die Geschichte eines aus dem US-Exil zurückgekehrten Professors jüdischer Herkunft, der angesichts dieser Entwicklung Deutschland erneut verlässt. Wie zu erwarten, stießen schon die Dreharbeiten auf Widerstand, allen voran an den Originalschauplätzen in Berlin-Dahlem; der 1969 erstgesendete Film, mit beweglicher Handkamera, langen Einstellungen und eingeflochtenem authentischen Material gestaltet wie eine Dokumentation, war stark umstritten. Viele Kritiker lobten das handwerkliche Geschick von Meichsner und Hädrich, bezweifelten aber den Informationswert für Außenstehende oder fürchteten, diese könnten gegen Studenten aufgewiegelt werden. Bemerkenswerterweise wurde diese Sorge sogar vom Rezensenten der Welt, dem Flaggschiff des von linken Kreisen (nicht ohne Grund) heftig angefeindeten Axel-Springer-Verlags, geteilt: „Meichsner und Hädrich, um Wahrheit bemüht, konnten nur einen Teil der Wahrheit finden. Den Konflikt zu verengen, indem man sympathische Professoren (mit wenigen Ausnahmen) gegen unsympathische Studenten (mit wenigen Ausnahmen) stellt, ist ein Mangel an Differentiation. Differenzierung aber tut gerade in einem Bereich not, der – wie auch dieses Fernsehspiel – mit Emotionen durchsetzt ist, der heizt und reizt, aber unter Informationslücken leidet wie kaum ein anderer. Die Autoren haben, gerade und vor allem durch die gefährlich undeutliche Trennung von Dokument und Spiel, durch die riskante Überlappung beider Bereiche, dem Bürger ein Bild der deutschen Studentenschaft gezeichnet, das in dieser Verallgemeinerung nicht für die Studentenschaft insgesamt zutreffen kann. Die radikale Spitze der Studentenbewegung, die in diesem Film in Aktion war, hat ihre Argumente inzwischen durch Zerstörungslust entschärft; die Reformer haben das Wort.“ (Thomas Schröder, Die Welt, 29.11.1969) Rückblickend betrachtet hat der Linke Meichsner mit seiner Kritik an verbohrten, vom Glauben an ihre Mission durchströmten Linksextremisten, für die der angeblich gute Zweck jedes Mittel heiligt, jene Geisteshaltung genau beschrieben, die von den Studentenprotesten zum Terrorismus führte. (gym)