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Am Flügel: Eunice Martins

Ein von Richard Oswald und Sexualforscher Magnus Hirschfeld gemeinschaftlich gestalteter Aufklärungsfilm, der für die Abschaffung des §175 plädiert und vergleichsweise züchtig erscheint. Einerseits spekuliert die melodramatische Handlung, in der ein Geigenvirtuose durch die Beziehung zu seinem Schüler erpressbar wird und seinem Leben ein Ende setzt, auf die erotisch stimulierte Schaulust des sich gerade von der wilhelminischen Körperfeindlichkeit befreienden Weimarer Bürgertums. Andererseits drängt Hirschfelds Theorie der Natürlichkeit der Homosexualität darauf, wissenschaftlich ernstgenommen zu werden. In die Kurzfassung von Hirschfeld, die uns heute (neben schriftlichen Zeugnissen über die verlorenen Elemente des einst abendfüllenden Spielfilms) zur Verfügung steht, hat sich diese Ambivalenz tief eingeschrieben. Unverbunden stehen die Szenen, in denen die bewegliche Kamera das Begehren des Helden in der düsteren Erotik Conrad Veidts herausarbeitet und durch das Aufziehen der Irisblende ins Soziale erweitert, neben Vorträgen von Hirschfeld, umrahmt von applaudierenden Studenten, die als Agitprop in den Film eingefügt sind. Der Film-Oberprüfstelle (16.10.1920) jedenfalls war das, was an homosexuellen Handlungen hier zu sehen war, zu brav. Ihr Aufführungsverbot begründete sie unter anderem damit, dass die Gesetzeslage im Film falsch dargestellt würde. Nur durch „Streicheln des Kopfes und Umschlingen des Halses“ sei nach §175 noch kein Strafbestand erfüllt. (jak)