Direkt zum Seiteninhalt springen

Einführung: Lúcia Nagib

Auf internationalen Filmfestivals und beim cinéphilen Publikum sorgte Anfang der 1960er Jahre eine neue filmische Ausdrucksweise für Furore: Das Cinema Novo, das neue brasilianische Kino. Radikal wandte es sich vom konventionellen Erzählkino ab und brachte stattdessen politische Allegorien hervor, die ungeheuer gegenwärtig und rebellisch sowie voller Poesie, Sinnlichkeit und Gewalt waren. Der wichtigste Vertreter dieses Cinema Novo war Glauber Rocha (1938-1981), über dessen Meisterwerk Antônio das Mortes der Kritiker Michel Capdenac schrieb: „Es gibt Filme gleich Vulkanen, und man sieht nichts mehr als Feuer, das die Eingeweide der Zeit hervorschleudert.“

Wie schon in früheren Filmen von Rocha tritt hier der Gesetzlose Antônio das Mortes auf, der im Sertão, dem kargen Nordosten Brasiliens, im Auftrag eines Großgrundbesitzers eine Gruppe von Outlaws bekämpfen soll, dann aber die Seite wechselt und sich gegen die Machthaber wendet. Rocha verbindet Elemente des Western, der Oper und des Theaters auf umwerfende Weise. Er lässt die Fabelwelt des Mittelalters auferstehen und bezieht Volkslegenden und afrikanische Mythen mit ein. In einer Zeit, in der es auch in Westeuropa gärte, trafen Rochas harte und kritische Filme auf besonderes Interesse. Sie liefen in der Bundesrepublik im Kino und im Fernsehen. Und wie die frühen Werke von Herzog, Fassbinder und Wenders zeigen, beeindruckte das Cinema Novo auch die Regisseure des Neuen Deutschen Films. (ps)