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„Homosexuelle Menschen stehen nicht außerhalb der sozialistischen Gesellschaft“, hieß es 1987 in der Begründung des Obersten Gerichts der DDR zur Aufhebung des §151, die die völlige Straffreiheit homosexueller Handlungen garantierte. Ein schwules Coming out war trotzdem eine Frage der Selbstermächtigung und damit im gesellschaftlichen Kontext prekär. Heiner Carow (1929-97), der wie „kein anderer Defa-Regisseur das private Glück gegen den verordneten Sozialismus verteidigt“ hatte (Nachruf in Die Zeit), kämpfte für das Projekt der schwulen Selbstfindungsgeschichte eines jungen Lehrers wie für viele andere Stoffe seit Anfang der 1980er Jahre. Nach sieben Jahren konnte er es endlich umsetzen – zu einer Zeit, als die DDR allmählich unterging.

Unmittelbar nach der Premiere am 9. November 1989 fand aufgrund des großen Publikumsinteresses eine zweite Vorstellung im Kino International statt. Während der anschließenden Feier im auch im Film auftauchenden Szenelokal Zum Burgfrieden wurde der Grenzübergang an der Bornholmer Straße geöffnet. Seitdem hält sich das geflügelte Wort, die DDR hätte an diesem Abend ihr Coming out gehabt. Selten fiel filmgeschichtlich die Erzählung einer persönlichen Befreiung (Coming Out war der erste und einzige Defa-Film zum Thema Homosexualität) mit der einer nationalen so schlagend zusammen. Sie warf auch eine übergreifende Frage auf: „Wer bin ich wirklich? Was möchte ich wirklich – und bin ich bereit, eben dafür einzustehen? Freiheit kann verdammt anstrengend sein.“ (Martin Reichert, taz). (jak)