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Das Leben beginnt

Das Leben beginnt DDR 1960, R: Heiner Carow, B: Jeanne und Kurt Stern, K: Götz Neumann, D: Doris Abeßer, Erik Veldre, Wilhelm Koch-Hooge, Raimund Schelcher, Manja Behrens, 119' · 35 mm SO 03.04. um 18 Uhr „Küss mich, küss mich, Angelina“, singen ihnen die Mitschüler nach, doch Rolf und Erika stören sich nicht daran. Sie sind das erste Paar ihrer Abiturklasse, und für sie gibt es keinen Zweifel, dass ihre Liebe ewig halten wird. Aber dann kommt alles anders: Erikas Vater, der einst in Ostpreußen eine Privatklinik leitete und sich vom Gesundheitswesen der DDR angewidert fühlt, flieht nach Westberlin. Erika geht mit ihm, wenn auch widerstrebend, Rolf bleibt im Osten zurück. Zweifellos ist Das Leben beginnt ein Zeitzeugnis des Kalten Kriegs – und doch mehr. Zwar verfängt sich der Film bei der Darstellung des Westens in den Fallstricken der Denunziation: Ein Rock’n’Roll-Konzert, dessen Beteiligte den Bildern eines George Grosz entsprungen zu sein scheinen, dient ebenso als Ausdruck von Dekadenz wie die abstrakte Kunst in der Wohnung von Erikas Onkel. Zugleich entblättert Das Leben beginnt das Wirtschaftswunder von aller schillernden Camouflage: Menschliche Beziehungen sind allzu oft aufs Pekuniäre reduziert, und wer sich nicht anpasst, steht schnell vor dem sozialen Aus. Interessanter noch als das Bild des Westens ist das der DDR: etwa die Figur von Rolfs Vater, dem Direktor der Oberschule. Der von Raimund Schelcher gespielte Mann ist jähzornig und engstirnig, er verbietet dem Sohn jeden Kontakt mit „Republikflüchtigen“. Als Rolf dennoch nach Westberlin fährt, verlangt er von ihm, vor der gesamten Schule Buße zu tun. Der Direktor, früher Arbeiter und von den Nazis ins KZ geworfen, wirkt bisweilen unmenschlich – und erst am Schluss, wenn er seinem Sohn die Erlaubnis gibt, Erika zu „retten“, beginnen sich seine verbitterten Gesichtszüge zu lösen. (rs)