Direkt zum Seiteninhalt springen

Am Flügel: Stephan von Bothmer + Einführung: Jürgen Kasten

Die Erfahrung der Inflation und die Angst vor ihr sind sehr deutsche Traumata. In der Hyper-Inflation der Jahre 1922/23 verarmte fast der gesamten Mittelstand. Der deutsche Spielfilm griff das Thema als allgegenwärtiges Bedrohungsmoment schnell auf und nutzte es für die melodramatische Vertiefung der Konflikte. Die Bedrohung der schönen weiblichen Heldin durch das perverse Böse erhält vor dem Hintergrund tatsächlich erlebter Inflationserfahrung eine dichte Realitätsgrundierung. Das zeigte bereits G.W. Pabst in Die freudlose Gasse (1925). Das einfache, aber sehr wirkungsvolle Schema der Prostituierung prägt auch den Ufa-Film Die Dame mit der Maske, in dessen Vorspann sich ein von Hans Richter gestalteter Essayfilm bemüht, die reale Erfahrung zu aktualisieren. Eine verarmte Baroness tritt, um ihrem Vater den sozialen Abstieg zu ersparen, fast nackt in einer Revue auf. Arlette Marchal spielt das betörend unsentimental, kühl und distanziert – und erhöht dadurch den erotischen Reiz so sehr, dass die Zensur den Film nicht nur wegen banaler Nacktszenen verbieten will. Der Kriegs- und Inflationsgewinnler, den Heinrich George mit kraftstrotzendem Temperament gibt, entflammt lichterloh. Seine finale Resignation hingegen ist atemberaubend still. (jk)