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Zu Gast: Rosa von Praunheim

Der erste deutsche Spielfilm zum Thema Aids kam früh. 1986 existierte noch kein einziges Therapeutikum, das HI-Virus war gerade erst benannt, Rock Hudson das erste prominente Opfer. Deutsche Mediziner spielten die Gefahr entweder herunter oder dachten laut über ein „Aids-Ghetto“ nach. Rosa von Praunheims Film zeichnet die Unsicherheiten, Hysterien, Verharmlosungen und den aufflammenden Schwulenhass in der Gesellschaft nach – mit den Mitteln einer anarchischen Klamotte, mit grober Überzeichnung, mit skandierten Parolen, quasi als Revue unhaltbarer Aussagen. Ob die Schwulen begreifen würden, dass sie eventuell bald aussterben, ist seine Frage – verbunden mit der dringenden Empfehlung, promiske Sexualität als Gefahr zu erkennen, deren Verteidigung und Infrastruktur einst als eine Kulturleistung der Szene galt.

Dass Praunheim erst später, mit seiner „Aids-Trilogie“ (Positiv, Schweigen = Tod, Feuer unterm Arsch, 1989/90) mit unverstellter Wut und geballter Aggression zum Selbstschutz der Szene aufrief, in Ein Virus kennt keine Moral aber noch Satire, Witz und Kalauer bemühte, deutet auf seine eigene Unsicherheit hin. Es überwiegt die Überzeugung: Mit Humor stirbt’s sich besser. Die im Film geäußerte Vision eines Broadways, an dem bald die Lichter ausgingen, wusste selbst noch nicht, wie viele künstlerische Karrieren durch die Pandemie tatsächlich beendet werden würden. (jak)