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Nach mehreren kommentierten Zensurentscheidungen der Film-Oberprüfstelle erreicht Eduard Tissés Film Frauennot – Frauenglück 1930 sein Publikum auch in den deutschen Kinos und wird landauf, landab kontrovers diskutiert. „Nie [zuvor] ist eine ernste Frage [wie die des Schwangerschaftsabbruchs] mit ausgeprägtem Verantwortungsbewusstsein behandelt worden“, hebt der Film-Kurier hervor (20.6.1930), während das Reichsfilmblatt (21.06.1930) keine herausgearbeitete Idee entdecken kann. Was da 1930 auf der Leinwand zu sehen ist, erscheint auch heute noch wie ein ungewöhnliches Amalgam, das die illegale Abtreibung in Zwischentiteln als „schmutziges Geschäft“ bezeichnet und der sauberen Geburtsstation in einer Klinik gegenüberstellt.

Tissés Film umreißt in drei schematischen Skizzen auf Recherchen beruhende Fälle, in denen sich Frauen zum Abort entscheiden. Die teils avantgardistische Bildsprache dieser Episoden, die beispielsweise den Bewusstseinsstrom einer Frau inszenieren, steht im starken Kontrast zu den kalten, sterilen Bildern der Klinik, die es gar wagen, eine Geburt zu zeigen. Die heterogene Ästhetik des Werks, an dem unter anderem Sergej Eisenstein mitgewirkt hat, wurde bei Vorführungen unter anderem von einem Vortrag des Berliner Arztes Peter Schmidt begleitet, der darauf hinwies: „Das Gesetz [zum Schwangerschaftsabbruch] wird sich in der bestehenden Form schon deshalb nicht halten lassen, weil fortwährend dagegen verstoßen wird.“ Der Blick ins Jahr 2023 würde ihn überraschen. (mbh)

Wir danken der Schweizer Initiative filmo für die Bereitstellung des Films.