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Anfang der sechziger Jahre versuchte Wolfgang Neuss, damals einer der prominentesten Kabarettisten der Bundesrepublik, im Kino stärker und vor allem seinem persönlichen Stil gemäß präsent zu werden. Der einzige Film, den er auch als Regisseur und Produzent realisieren konnte, war das groteske Abenteuer eines kleinen westdeutschen Bauern, durch dessen Acker die Zonengrenze verläuft. Für eine obskure Behörde soll der Ex-Luftwaffenpilot zu einem Spionageflug über die Sowjetunion aufbrechen. Dort notgelandet, versucht er sich als Russe Richtung Grenze durchzuschlagen, gerät aber schließlich in die sowjetische Venusmission, die freilich statt auf dem Nachbarplaneten in Sylt endet.

Aus der Not seines – trotz staatlicher Unterstützung – sehr beschränkten Budgets machte Neuss eine Tugend, indem er viele im Osten spielende Szenen in Doppelbelichtung zeigte, was zum märchenhaften Charakter der Handlung passt, die wesentlich von Neuss’ Off-Kommentaren lebt. Ost wie West wurden mit Spott bedacht, doch ein betont freundliches Bild der Sowjetmenschen gezeichnet. Der Schlusssatz, gesprochen über einem Bild von der mit Mauer und Stacheldraht befestigten Demarkationslinie durch Deutschland, taugte als Motto für die gesamte Entspannungspolitik, die damals noch Zukunftsmusik war: „Und wenn wir alle nicht gestorben sein wollen, müssen wir erstmal so leben.“ (gym)