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Ich möchte kein Mann sein

Anna Müller-Lincke kandidiert
D 1919, R: Werner Sinn, D: Anna Müller-Lincke, Herbert Paulmüller, 13‘ · 35 mm Durchlaucht amüsiert sich D 1917, R: Carl Heinz Wolff, D: Lea Lara, Anna Müller-Lincke, Victor Janson, Ernst Pittschau, 28‘ · 35 mm Ich möchte kein Mann sein D 1918, R: Ernst Lubitsch, B: Ernst Lubitsch, Hanns Kräly, D: Ossi Oswalda, Curt Goetz, Margarethe Kupfer, Victor Janson, Ferry Sikla, 45‘ · 35 mm SA 26.11. um 19 Uhr · Am Flügel: Peter Gotthardt Komödien können sich über das lustig machen, was im Ernst kein Thema sein kann. Darin liegt ihre mitunter subversive Qualität. Beispielhaft dafür sind die beliebten Verwechslungskomödien, in denen sich Frauen als Männer verkleiden: Wenn sich diese verkleideten Frauen in Männer verlieben und ihre Liebe erwidert wird, kann dies der Ausdruck eines schrägen Humors sein, der mit dem Tabu der Homosexualität und des Transvestismus kokettiert und für eine Verwirrung der Geschlechterverhältnisse sorgt. In Ich möchte kein Mann sein, entstanden am Vorabend der Revolution von 1918, spielt Ossi Oswalda ein lebenslustiges und höchst unangepasstes Mädchen mit einer Vorliebe für Zigaretten, scharfe Getränke und Poker. Ein neuer Hauslehrer soll ihr endlich gute, also damenhafte Manieren beibringen, doch Ossi denkt gar nicht daran. Verkleidet als Gigolo stürzt sie sich in nächtliche Abenteuer und will die Privilegien des Mann-Seins auskosten. Regisseur Ernst Lubitsch setzt auf eine rustikale, körperliche und eindeutig-doppeldeutige Komik. Wie so oft, glüht seine Heldin vor Vitalität und Exzentrik, erotischem Verlangen und Freiheitsdrang. Der Film-Kurier bemerkt denn auch die „stürmische Heiterkeit“ vor allem des weiblichen Kinopublikums. „Ossi Oswalda entzückte durch ihr sprudelndes Temperament, ihre überschäumende Laune und ihre schelmische Koketterie. (...) Daß Lubitsch für eine sorgfältige und dabei doch sehr temperamentvolle Regie gesorgt und eine ganze Reihe entzückender Bilder gestellt hat, versteht sich beinahe von selbst.“ (8.5.1920). Körperlich und vom Alter her von einem ganz anderen Kaliber als die jugendliche Ossi Oswalda war Anna Müller-Lincke (1869-1935), die schon eine erfolgreiche Karriere als Soubrette und Bühnenschauspielerin hinter sich hatte, bevor sie zum Film kam: Oft spielt sie den Typ der etwas drallen und lauten, leicht erregbaren, dabei aber enorm leidenschaftlichen Dame mittleren Alters: So in Durchlaucht amüsiert sich, wo sie als Zofe vorgeschickt wird, um den zukünftigen Gatten einer Prinzessin zu begutachten (ohne zu wissen, dass auch der prospektive Gatte sich von seinem Diener vertreten lässt), wie auch in Anna Müller-Lincke kandidiert, einem saftigen Schwank, der für die aktive Teilnahme von Frauen an der Wahl zur Nationalversammlung im Januar 1919 wirbt und zu diesem Zweck Alt und Jung gegeneinander antreten lässt. (ps)