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Wie soll man der Kriegstoten gedenken? Wie kann man die Tapferkeit, die Selbstüberwindung, die Hingabe des Einzelnen würdigen und zugleich den Irrsinn des Krieges und seine Glorifizierung anprangern? Der 1929 erschienene Roman Im Westen nichts Neues von Erich Maria Remarque erzählt vom Krieg an der Westfront aus der Perspektive eines deutschen Gymnasiasten, der sich 1914 freiwillig meldet und hehre Idealen besitzt – und von dessen Idealen nach jahrelangem Kampf, nach Drill, Hunger, Verwundung und der Allgegenwart des Todes nichts mehr geblieben ist. Ein Schicksal, mit dem sich auch Millionen außerhalb von Deutschland identifizieren konnten. Dennoch entzweiten der Verzicht des Romans auf Sinngebung und die überwältigende Traurigkeit des Geschehens die deutsche Öffentlichkeit. Die Erinnerung an den Krieg war zu einem Politikum geworden und wurde von den Rechten als Mittel im Kampf gegen die Weimarer Republik missbraucht. Als 1930 die bis heute unübertroffene Verfilmung von Im Westen nichts Neues herauskam, inszenierten die Gegner der Demokratie einen Skandal mit der Begründung, der amerikanische Film sei anti-deutsch und würde das Ansehen der deutschen Kriegsopfer verunglimpfen. Der „Fall Remarque“ spaltete das Land, und auf politischen Druck wurde der Film sogar zeitweise verboten. Unverkennbar traf Im Westen nichts Neues einen Nerv der Zeit. Nach der deutschen Premiere berichtete die Vossische Zeitung: „Das Publikum, das noch in der Mitte des Films einigen Dialogen, die sich gegen den Krieg richteten, demonstrativ Beifall gespendet hatte, verließ zum Schluß das Haus still und im Innersten aufgewühlt, unfähig, Beifall zu äußern. Noch nie hat ein Filmwerk so unmittelbar auf die Zuschauer und Zuhörer gewirkt.“ (5.12.1930) (ps)