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Einführung: Elise Julien

Als im November 1918 die Waffen schweigen, werden die heimkehrenden Soldaten überall sehnsüchtig erwartet. Doch zahllose Familien warten vergeblich, und hunderttausende Soldaten bleiben vermisst. In den meisten Fällen bedeutet das, dass ihr Leichnam nicht auffindbar ist, weil er von einer Granate zerrissen oder unter Erdmassen begraben worden ist. In den ehemaligen Kampfgebieten in Frankreich sind deshalb Sondereinheiten damit beschäftigt, die Schlachtfelder nach menschlichen Überresten abzusuchen, um diese zu identifizieren und zu beerdigen.

Der großartige Philippe Noiret spielt in La vie et rien d’autre den alten, müden Kommandanten einer solchen Sondereinheit, einen Mann, den der Krieg einfach nicht loslässt. Er bekommt den Spezialauftrag, den Leichnam eines unbekannten französischen Soldaten zu finden, der dann feierlich unter dem Arc de Triomphe beigesetzt werden soll. Aber wie kann man sicher sein, dass die Knochen eines Unbekannten einem Franzosen und keinem Deutschen gehörten? Eine junge Frau (Sabine Azéma), die Gewissheit über das Schicksal ihres vermissten Ehemanns haben will, bringt Bewegung in das Leben des Kommandanten.

Bertrand Tavernier bleibt nicht bei der Schilderung dieser Beziehung zweier Menschen stehen, deren Schicksal auf verschiedene Weise vom Krieg und den Erinnerungen geprägt ist. Vielmehr entwirft er ein so erschütterndes wie groteskes Sittengemälde der Nachkriegszeit, in der gesichtsverletzte, verstümmelte und wahnsinnig gewordene Soldaten in Hospitälern versteckt werden, in der Künstler sich nicht retten können vor Aufträgen für Kriegsdenkmäler, in der Ortschaften um höhere Opferzahlen konkurrieren. Im Mittelpunkt steht die Frage, wie man mit dem Tod vor Augen ins Leben zurückkehren kann – und so verherrlicht der Film denn auch nicht den Tod, sondern das Leben und schenkt uns schließlich einen Frühling im Winter.

In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung resümiert Marli Feldvoss: „Ein Antikriegsfilm von leiser, besinnlicher Tonart (...). Tavernier geht es nicht vorrangig um die Warnung vor dem Krieg, es geht ihm um den Lebenssinn, der sich auf den Schlachtfeldern deutlicher und dringender offenbart als zu Friedenszeiten, zu Zeiten des Wohllebens; es geht ihm auch um ein Stück Utopie über den tiefen Geschlechtergräben. Da schlägt er den großen Bogen in die heutige Zeit und zurück in die Zeitlosigkeit.“ (22.1.1990) (ps)

Eine Veranstaltung in Zusammenarbeit mit dem Centre Marc Bloch und mit freundlicher Unterstützung des Institut français.