Direkt zum Seiteninhalt springen

Einführung: Hannes Brühwiler

Die Geschichte von Jeanne d’Arc ist immer wieder auf gegenwärtige Zustände projiziert worden, so auch in Saint Joan. Basierend auf dem 1923 entstandenen Theaterstück von George Bernard Shaw schufen Otto Preminger und der eigentlich auf Agentengeschichten spezialisierte Autor Graham Greene eine Version für die von Kommunistenhatz und Blacklisting vergifteten 1950er-Jahre. Wohlbrück verkörpert den Ankläger Cauchon – Bischof von Beauvais – mit minimalen emotionalen Regungen als eine undurchsichtige Person, eine Figur wie „Brechts ‚Gallilei’ entnommen“, die „fromme Seriosität ist nur mehr Fassade für aufgeklärten Skeptizismus.“ (Ulrich Gregor, Filmkritik 11/1957)

Mit der Besetzung des damals völlig unbekannten amerikanischen Teenagers Jean Seberg, die medienwirksam im Rahmen einer monatelangen Suche nach der perfekten Jeanne d’Arc gecastet wurde, gelang Preminger ein für die Konzeption des Films essentieller Coup: „Auf der einen Seite also Wohlbrück, der zu jener Zeit vor allem auf den Bühnen zwischen Düsseldorf und London unterwegs war und nur handverlesene Kinorollen übernahm, und auf der anderen Seite die im Mittleren Westen der USA aufgewachsene 18-jährige Seberg. (…) Im Film sehen wir sie immer wieder abseitsstehen, isoliert vom restlichen Geschehen – ganz im Gegensatz etwa zu Wohlbrück, dessen staatsmännisches Erscheinen oft den Mittelpunkt des Bildes darstellt (...). In seinen eindrücklichsten Momenten sehen wir zwei Filme vor uns, die subtil koexistieren: Einer über eine junge Frau, deren unbeirrbarer Glaube sie in den Augen ihrer Ankläger als naiv und entrückt erscheinen lässt, und ein zweiter, der geprägt wird durch Machtspiele und Intrigen.“ (Hannes Brühwiler in Wohlbrück & Walbrook) (fl)