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Scarred Hearts – Vernarbte Herzen

Inimi cicatrizate Scarred Hearts – Vernarbte Herzen RO/D/FR/BE 2016, R: Radu Jude, B: Radu Jude, frei nach dem Roman von M. Blecher, K: Marius Panduru, D: Lucian Teodor Rus, Ivana Mladenovic, Marius Damian, 147' · DCP, OmU SO 17.03. um 18 Uhr + MI 20.03. um 20 Uhr Aferim!, Judes vorvorletzter Film, war eine Tiefenbohrung in rumänischer Literatur, bei der Radu Jude und sein Co-Drehbuchautor, der Schriftsteller Florin Lazarescu, phantastisch agile Szenen zutage förderten. Inimi cicatrizate spielt 1937, ein Jahrhundert später und Blechers Alter Ego Emanuel ist nun fixiert wie dieser – durch den Gips, mit dem das Sanatorium Knochentuberkulose therapiert. Fixiert, mit Abstand zu den verfallenden Körpern, sind auch die Bilder – wie die Sätze Blechers, der in gnadenlosem Abstand zu seiner Krankheit schreibt. Die Literaturverfilmung in klassischem Sinne will „period piece" und Zitatsammlung zugleich sein: Zwischenkriegsausstattungskino zum einen, mittels Schrifttafeln unvermittelt Innen- und Außenperspektive changierende Montage zum anderen. Die historische Rekonstruktionsarbeit bekommt es mit audiovisuellen Speichermedien zu tun: Die Filmbilder haben abgerundete Ecken und zitieren das Academy-Format. Emanuel, in dem sich Judes Verständnis von Blecher als einem Autor der Avantgarde zeigt, provoziert seine Sanatoriumsgefährten mit zeitgenössischen Radiowerbungen. Die Destruktion ist ästhetisches Programm: Emanuel, den Jude biografisch näher an Blecher gerückt hat, als es dieser in seinem Roman Vernarbte Herzen getan hatte, fault von innen heraus. Auf dem Gang des Sanatoriums bricht das antisemitische Legionärslied in voller Länge in die von Emil Cioran und Constantin Noica vergeistigte Zeit ein. (ir)