Als eine Formensprengerin positioniert sich die junge Věra Chytilová bereits mit ihren ersten beiden Kurzfilmen: Sie setzt sich vom biederen zeitgenössischen Film ab, indem sie ihr dokumentarisch geschultes Auge nutzt und sich zugleich für Experimente öffnet.
Ihre Abschlussarbeit an der Filmhochschule, Strop, zeigt das Model Marta in ihrem Alltag. Sie spricht wenig, wird aber auf dem Laufsteg von vielen angesehen. Abends liegt sie im Bett und schaut an die Decke, die ihr gesamtes Leben zu begrenzen scheint.
In Pytel blech folgt Chytilová ihrem Interesse für dokumentarische Formen und subjektive Perspektiven auf eine andere Art. Mit dem titelgebenden Sack voller Flöhe sind die Bewohnerinnen eines Wohnheims gemeint, das zu einer Textilfabrik gehört. Die Arbeiterinnen spielen sich selbst und improvisieren die Dialoge. Die inszenierte Reportage, in der die Kamera den Blick der neuen Bewohnerin Eva einnimmt und wir aus dem Off ihre Gedanken hören, untersucht wie in einer soziologischen Feldstudie das Leben von Textilarbeiterinnen, ihre Handlungsräume für individuelle Freiheiten und den Druck, der von der Konformität im Kollektiv ausgeht. (mbh)
Pytel blech
CS 1962, R/B: Věra Chytilová, K: Jaromír Šofr, D: Helga Čočková, 43’
Strop
R: Věra Chytilová, B: Věra Chytilová, Pavel Juráček, K: Jaromír Šofr, D: Marta Kaňovská, Josef Abrhám, Julián Chytil, Jaroslav Satoranský, Jiří Menzel, 42’