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Zu den remigrierten deutschen Autoren, die schon bald nach ihrer Rückkehr ihr Publikum in der Bundesrepublik vom Terror der Verfolgung und den oftmals traumatischen Erfahrungen des Exils in Kenntnis setzten, gehörte der Schriftsteller, Bühnen- und Filmregisseur Ludwig Berger. Ende der 1920er Jahre hatte er in Hollywood gearbeitet; nach dem Machtantritt der Nazis drehte er Filme in Frankreich und den Niederlanden, wo er nach seinem filmischen Beitrag zur militärischen Mobilisierung des Landes, dem Ehe- und Marinedrama Ergens in Nederland (1940), unentdeckt von der Gestapo den Krieg überlebte.

Auch für Alexander Kordas London Film Productions ist Ludwig Berger tätig gewesen. Aus dieser Periode erzählt er in seinen 1953 erschienenen Erinnerungen Wir sind vom gleichen Stoff, aus dem die Träume sind folgende Anekdote: „Die Chauffeure, die mich nach Denham fuhren, fragten mich ungläubig während der langen Fahrt: ‚Man nimmt den Juden ihr Geld ab?‘ Es ging nicht in ein englisches Gehirn, daß ein Staat seine Bürger beraubt. Überall, wo man als Deutscher hinkam, wurde man mit Fragen überschüttet. In der Schweiz bangte man um die ‚Bekenntniskirche‘ und um das Schicksal Pastor Niemöllers. In Frankreich interessierte man sich mehr dafür, daß Hitler keinen Wein trank und die Gewerkschaften mit einem einzigen Federstrich aufgelöst hatte. In England aber stand man vor unbegreiflichen Tatsachen: konnte ein Mensch anderen Menschen Geld abnehmen; wo war die Menschenwürde geblieben?“

Bergers Beobachtung unterschiedlicher Mentalitäten in den Ländern seines Exils hat unmittelbare Bedeutung für die filmgeschichtliche Einordnung und Bewertung seiner dort entstandenen Arbeiten – wie auch für die seiner zahlreichen Berufskollegen, die, rassistisch oder politisch verfolgt, ihrer Tätigkeit in einem neuen Sprachraum nachgehen mussten. So wie zuvor – unter günstigeren Umständen – Autoren des Auslands in der deutschen Filmindustrie Fuß fassen konnten und diese, etwa im Fall der russischen Film-Emigration, um „mondäne“ oder avantgardistische Elemente bereichert hatten, sahen sich nun deutschsprachige Autoren in die Lage versetzt, fremdsprachigen Produktionen ihren Stempel aufzudrücken. Die Fähigkeit zum entsprechenden sprachlichen Ausdruck vorausgesetzt, hatten sie in ihren Arbeiten auf die unterschiedlichen Mentalitäten in ihren Gastgeberländern gleichwohl Rücksicht zu nehmen.

So entstanden – und entstehen noch immer – unter den Gegebenheiten des Exils die unterschiedlichsten Filme. In manche haben sich die Voraussetzungen für ihr Entstehen thematisch oder formal unübersehbar eingeschrieben; andere hingegen wirken von den Zeitumständen, die sie hervorgebracht haben, völlig unberührt. Entsprechend heterogen ist die von CineGraph Hamburg und dem Bundesarchiv-Filmarchiv kuratierte Retrospektive Gebrochene Sprache, die den Arbeiten exilierter Filmautoren und Schriftsteller gewidmet ist. Das Programm im Zeughauskino präsentiert eine Auswahl des im vergangenen November im Rahmen des Internationalen Festivals des deutschen Film-Erbes gezeigten Programms. (Jörg Schöning)

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