Direkt zum Seiteninhalt springen

„Stellen Sie sich mal vor …“ – So begannen sicher viele Drehbuchprojekte von Wolfgang Menge. Stellen Sie sich mal vor, die deutsch-deutsche Grenze wäre über Nacht ein paar Meter gen Osten verschoben worden. Was würde wohl passieren mit den Menschen dies- und jenseits des Stacheldrahts? Oder stellen Sie sich vor, es gäbe eine Spielshow, in der Menschen zu Tode gehetzt würden. Oder dem Ruhrgebiet würde buchstäblich die Luft zum Atmen ausgehen? Oder … oder … oder?

Der Journalist und Autor Wolfgang Menge, geboren 1924 in Berlin, hat rund 100 Drehbücher für das westdeutsche Fernsehen entwickelt. Zweifelsfrei gehört er zu den kreativen Köpfen, die das politische Fernsehspiel in den 1960er und 1970er Jahren maßgeblich geprägt haben. Neben seinen populären Krimis und Sitcoms, die oft Schlagzeilen machten, waren es vor allem seine Planspiele, die Fernsehgeschichte schrieben. Nicht selten verpackte Menge seine akribisch recherchierten Fakten in die Form einer fiktiven TV-Sendung. Namhafte Regisseure wie Eberhard Itzenplitz, Tom Toelle und Wolfgang Petersen griffen Menges Gedankenvorlagen kongenial auf und engagierten „echte“ Fernsehreporter oder Showmaster für ihre Spiel-im-Spiel-Inszenierungen.

Der Grenzgänger Wolfgang Menge hatte ein Faible für Grenzüberschreitungen. Anlässlich seines 100. Geburtstags und 75 Jahre nach der Gründung beider deutscher Staaten haben die Deutsche Kinemathek und das Zeughauskino deshalb fünf Programme zusammengestellt, in denen sich Wolfgang Menge mit der deutsch-deutschen Grenze auseinandersetzt. Die Folge Frühjahrsputz aus der Reihe Ein Herz und eine Seele, in der Alfred Tetzlaff über die Frontstadt Berlin nachdenkt, nehmen wir am 10. April, dem Geburtstag von Wolfgang Menge, in der Deutschen Kinemathek am Potsdamer Platz zum Anlass für einen Gesprächsabend über die heutigen (Geschmacks-)Grenzen von Humor im Fernsehen.

Im Zeughauskino sind vier Fernsehspielfilme zu sehen. In der Komödie Eines schönen Tages (1964) mit Inge Meysel begegnen sich Ostdeutsche und Westdeutsche drei Jahre nach dem Mauerbau zufällig in einem Gasthaus. Haben Sie sich noch etwas zu sagen? In der Wirtschaftssatire Grüß Gott, ich komm von drüben (1978) fällt eine florierende Schuhfabrik (West) in die Hände von Planwirtschaftlern (Ost) – mit welchem Erfolg? In dem Gerichtsdrama Begründung eines Urteils schießt ein Grenzsoldat auf einen Flüchtenden und wird dafür im eigenen Regime geehrt und im anderen verurteilt. Und in Die Dubrow-Krise (1969) verschiebt sich die deutsch-deutsche Grenze über Nacht – was machen die Menschen wohl mit ihrer neu gewonnenen Freiheit?

Glaubwürdig und zugleich in höchstem Maße spekulativ beantwortet Menge all diese Fragen. Wie spektakulär seine Antworten waren, wurde freilich zum Teil erst nach 1989 deutlich. Hinterher ist man bekanntlich immer schlauer. Menge war es oft schon früher. (Klaudia Wick)

Rückblick