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Als das Präsidium des Ministerrats der DDR im Mai 1965 die Einführung des Farbfernsehens beschloss und wenig später den Start des zweiten, farbtüchtigen Programmkanals auf den 3. Oktober 1969 festlegte, sollte vor aller Welt die Leistungsfähigkeit und Modernität des Sozialismus bewiesen werden. Dank eines großen ökonomischen Aufwands konnte diese Vorgabe trotz des engen zeitlichen Rahmens erfüllt werden. Am 20. Jahrestag der Gründung der DDR wurde das Farbfernsehen symbolträchtig zusammen mit dem Fernsehturm in der Mitte Berlins als weithin sichtbares Architekturwahrzeichen der DDR in Betrieb genommen.

Die technische Neuerung ging einher mit dem Wunsch nach einer reformierten Programmarbeit. Bereits 1967 hatte Werner Lamberz, Mitglied im Zentralkomitee der SED, dem DDR-Fernsehen „Schwächen in der Programmkomposition“ attestiert. Vier Jahre später wurde der neue Erste Sekretär des ZK der SED Erich Honecker deutlicher und fordert auf dem VIII. Parteitag, „die Programmgestaltung zu verbessern, eine bestimmte Langeweile zu überwinden, den Bedürfnissen nach guter Unterhaltung Rechnung zu tragen.“ Die gemeinsam mit dem Deutschen Rundfunkarchiv veranstaltete Reihe Im Auftrag des Fernsehens der DDR bringt zehn Fernsehspielfilme zusammen, die einerseits Teil eines sich wandelnden DDR-Fernsehens sind. Deren Produktions- und Rezeptionsgeschichten verdeutlichen aber auch, welche Grenzen den Spielräumen gesetzt waren bzw. welche Konsequenzen innovativ arbeitende Fernsehschaffende zu tragen hatten.

Abgesehen von der Literaturadaption Der kleine Prinz, die als ein Programm-Highlight des neuen Farbfernsehens vorgesehen war, dann aber aus rechtlichen Gründen 1969 nicht ausgestrahlt werden durfte, handelt es sich ausschließlich um Gegenwartsfilme. Die TV-Produktionen brechen zum einen mit den Helden- und Arbeiterfiguren früherer Fernsehfilme. Charaktere werden widersprüchlicher, ambivalenter. Sie sind näher an den tatsächlichen Erfahrungen der Arbeitswelt und komplexer, insofern sie mehr psychologische und zwischenmenschliche Facetten besitzen. Die zweite Gruppe stellt das Verhältnis der Geschlechter in den Mittelpunkt. Auffällig viele Fernsehspiele der 1970er und 1980er Jahre erzählen Beziehungs- und Emanzipationsgeschichten: insbesondere Frauen, die für ein selbstbestimmtes Leben streiten, die sich klassischen Geschlechterrollen widersetzen und für individuelle Lebensentwürfe plädieren; Ehen, die in die Krise geraten und auseinanderzubrechen drohen.

Anlässlich des 50. Jahrestags der Eröffnung des Berliner Fernsehturms und des Starts des zweiten Fernsehprogramms der DDR hebt die von Thomas Beutelschmidt kuratierte Reihe Im Auftrag des Fernsehens der DDR bemerkenswerte Fernsehspielfilme hervor, die auf unterschiedliche Art kritische Zustände in den Betrieben und fundamentale Bedürfnisse im Alltag, aber auch Existenzfragen und den Geschlechterdiskurs ernst nehmen. Eine eigenartige Mischung aus künstlerischer Leistung und gesellschaftlicher Solidarität ist ihnen eigen. Sie wahrzunehmen, anzuerkennen und zu verstehen, macht den Reiz ihrer Präsentation aus.

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