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Vorfilm:

Les trois-quarts de la vie / Dreiviertel des Lebens F 1969, R: Groupe Medvedkine de Sochaux, 20‘ · 16 mm, OmU

Einführung: labournet.tv

In der Beziehungsgeschichte zwischen Film und Fabrik gibt es bei allem Wandel der Techniken und Perspektiven eine Konstante: die Orte, wo Menschen ihre Arbeitskraft verkaufen, sind für Kameras fast so schwer zugänglich wie Gefängnisse. Wo es zu einer Begegnung zwischen Film- und Fabrikarbeit kommt, stellen sich sogleich Kernfragen: Wie soll man die Banalität der Ausbeutungsroutine abbilden? Wie vermeidet man, das Wort nur denen zu erteilen, die sich bereits zu Repräsentanten aufgeschwungen haben? Verstehen die Filmenden überhaupt die komplexen Machtstrukturen in einer Fabrik und wie können die Arbeiter_innen in die Herstellung des Films einbezogen werden? Ende der 1960er Jahre bemühten sich viele Filmemacher und Kollektive, den Kämpfen in den Fabriken eine breite Öffentlichkeit zu verschaffen, um ihr revolutionäres Potenzial zu aktivieren. A bientôt j'espère handelt von einem Arbeitskampf in der Textilfabrik Rhodiaceta in Besançon, der ein Vorbote des Mai 1968 war. Die Streikenden erklären, wofür sie kämpfen, und kritisieren dabei nicht nur ihre Arbeitsbedingungen, sondern die ganze Lebensweise, die ihnen aufgezwungen ist. Als Chris Marker und Mario Marret den fertigen Film den Arbeiter_innen zeigten, waren die meisten nicht begeistert über die Art, wie ihre Wirklichkeit dargestellt wurde und welche Rolle die Filmenden eingenommen hatten. Aus der Kritik entstand die Idee, die Arbeiter_innen in die Lage zu versetzen, selber Filme zu machen. An den Industriestandorten Besançon und Sochaux wurden die Filmkollektive „Groupes Medvedkine" gegründet, die über mehrere Jahre äußerst produktiv waren. Der Kurzspielfilm Les trois-quarts de la vie war eine der ersten Früchte dieser Arbeit. Ergänzend werden weitere Filmausschnitte gezeigt, um die kritische Auseinandersetzung zwischen Filmenden und Fabrikarbeiter_innen anschaulich zu machen. (th, labournet.tv)