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„Berlin ist die Party-, Sex- und Drogenhauptstadt – zumindest ist sie das spätestens seit Christiane F. (1981) als filmisches Stadt-Bild: Eine anonyme, menschenverachtende Betonwüste, in der man sich verlieren kann; der man nur den eigenen Hedonismus entgegensetzen kann. Leben gibt es nur im und für den Augenblick; das Stadtleben als die ständige Suche nach dem nächsten Kick; die Party als Lebensgefühl, als Ausdruck des Seins; sich selbst im Drogenrausch spüren, wahrnehmen; sich im Tanz und Sex der eigenen Körperlichkeit vergewissernd durch die Nacht treiben lassen zum Soundtrack Berlins; immer nah am Absturz – und zuweilen darüber hinaus.

So geht es auch dem selbstbezogenen Überflieger DJ Ickarus (Paul Kalkbrenner) in Hannes Stöhrs Berlin Calling (2008) – bis eine drogeninduzierte Psychose die Party zu beenden droht. Auf die übermütige Selbstbezüglichkeit der Figur wird schon mit dem Rollennamen DJ Ickarus angespielt: Der mythische Name Ikarus wird abweichend mit ‚ck‘ geschrieben – und verweist damit auf das berlinerische ick/e = ‚ich‘ (die oft im Film benutzte Koseform Icka betont das noch; seine Labelchefin nennt ihn sogar Icke). Treffender kann man die Egomanie der Figur, die nur um sich selbst kreist, kaum herausstellen. – Auf den Ikarus-Mythos gibt es natürlich viele Anspielungen in Berlin Calling, z. B. allein dadurch, dass die Figur an einem Flughafen eingeführt wird und ein startendes Flugzeug gezeigt wird. Ickarus’ Vater redet von Vögeln und predigt übers Fliegen. In der zweiten Hälfte wird zweimal auffällig die Sonne ins Bild gerückt (als Sonnenuntergang kurz nach seinem endgültigen Zusammenbruch und als Sonnenaufgang, als es beginnt, ihm wieder besser zu gehen) – und die Pille, die bei Ickarus zu einer Psychose führt, lässt die Körpertemperatur stark ansteigen; steht also sinnbildlich dafür, der Sonne zu nah gekommen zu sein.“ (Christian Hißnauer, Berlin Visionen)