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Henrik Bispinck

Geschlossene Gesellschaft

Am 29. November 1978 mussten die Zuschauer des DDR-Fernsehens lange warten, bis das für 21.30 Uhr angekündigte Programm endlich ausgestrahlt wurde. Erst wurde ein Unterhaltungsmagazin großzügig verlängert, dann kam überraschend eine Dokumentation über Nicaragua zum Einsatz. Erst danach war die Eigenproduktion Geschlossene Gesellschaft zu sehen. Der verspätete Beginn in den Nachtstunden war kein Zufall, denn mit Regisseur Frank Beyer und Autor Klaus Poche hinter sowie Jutta Hoffmann und Armin Mueller-Stahl vor der Kamera waren gleich vier jener „Petitionisten“ an der Produktion des Fernsehfilms beteiligt, die zwei Jahre zuvor gegen die Ausbürgerung von Wolf Biermann protestiert hatten. Mueller-Stahl, der jahrelang der beliebteste Filmschauspieler der DDR war, bekam nach seiner Stellungnahme für Biermann kaum mehr Rollen angeboten; Geschlossene Gesellschaft war sein letzter DDR-Film. 1980 reiste er aus. Der Film beschreibt die Krise eines Paares, das sich in erstarrten Ritualen bewegt und außerstande ist, die allgegenwärtige Stagnation zu überwinden – eine Fabel, die eindrücklich den Zustand der DDR-Gesellschaft reflektierte. Wegen seiner Zustimmung zur Ausstrahlung des Films wurde Hans Bentzien, Leiter der Hauptabteilung Funkdramatik beim Rundfunk der DDR, seines Postens enthoben. (cl)