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Einführung: Tobias Hering

Judgment at Nuremberg

Kaum ein Hollywood-Regisseur war in der DDR so angesehen wie Stanley Kramer, dessen Filme fast alle in die Kinos kamen und auch im Fernsehen ausgestrahlt wurden. Ein Schlüsselerlebnis, nicht nur für die Wertschätzung Kramers, sondern auch für die Vorstellung eines „anderen Amerika“ als möglichem Alliierten, war Kramers frühes Meisterwerk Judgment at Nuremberg. Im kriegszerstörten Nürnberg trifft ein amerikanischer Richter (Spencer Tracy) ein, um einen Prozess gegen hochstehende Juristen des NS-Systems zu leiten. Welche Verantwortung trugen sie für die Verbrechen der Nazis? Auch außerhalb des Gerichtssaals stößt der Richter auf Ablehnung, Leugnen und Schweigen. Dem Film lagen die sogenannten Juristenprozesse des Nürnberger NS-Tribunals zugrunde, die hier mit einer Starbesetzung in großes Kino verwandelt werden. Nach seiner Uraufführung im Dezember 1961 in der West-Berliner Kongresshalle wurde der Film auch ein kritischer Gegenstand im deutsch-deutschen Ringen mit dem Erbe der Nazizeit. Für die DDR-Rezeption war entscheidend, dass Kramer in einer Texttafel am Ende des Films darauf hinwies, dass von den in Nürnberg zu lebenslangen Haftstrafen Verurteilten zur Zeit der Uraufführung des Films keiner mehr in Haft saß. Nur wenige Monate nach dem Mauerbau erschien Judgment at Nuremberg demnach als ein Film, der die DDR politisch ins Recht setzte. (th)