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„Das Andere Amerika“ war eine im Filmwesen der DDR gängige Formel, mit der amerikanische Filme oder Persönlichkeiten gemeint waren, die man als „progressiv“ einschätzte, weil sie internationalistisches Engagement zeigten oder in den USA als Dissidenten galten. Aber die Formel spiegelt auch eine Ambivalenz, die in zahlreichen DEFA-Filmen Ausdruck fand: Stand Amerika dort zumeist für das große Andere und den mächtigen Feind, schwelte im anti-amerikanischen Diskurs doch oft auch die Sehnsucht nach einem anderen, nämlich besseren Amerika als eine eigensinnige Utopie. So war Anti-Amerikanismus ein produktives Stimulans für politische Dokumentaristen wie Walter Heynowski und Gerhard Scheumann. Außerdem brachte der Anti-Amerikanismus das Genre des „DEFA-Indianerfilms“ als Gegenbild zum Western hervor. In den 1980er Jahren schieden sich am Anti-Amerikanismus die Geister einer Generation, der allmählich die Luft ausging.

In neun Programmen wirft die Filmreihe Schlaglichter auf markante Momente der filmischen Fernbeziehung zwischen DDR und USA. Diese war geprägt von einer notorischen Asymmetrie, nicht nur im Sinne ökonomischer Macht, sondern hinsichtlich des wechselseitigen Interesses für und der Kenntnis von einander. Denn während „East Germany“ für die meisten Amerikaner ein ferner blinder Fleck blieb, prägten Amerika-Bilder Alltagskultur und politische Rhetorik in der DDR kaum weniger nachhaltig als anderswo. Das Kino spielte dabei eine zentrale Rolle, allerdings erfuhren amerikanische Filme in der Publizistik der DDR eine merklich andere Rezeption als in Westdeutschland (von wo die deutschen Synchronfassungen meist übernommen wurden): Sie wurden exemplarischer verhandelt und polemischer verurteilt, oft aber auch ernster genommen, indem sie nie als „bloße Unterhaltung“ durchgingen. Hollywood war den Kritikern suspekt, erschien aber mächtig und stand gelegentlich auch auf der richtigen Seite. Beliebt waren US-Filme in der DDR jedoch allemal: in der Publikumsgunst standen sie ab den späten 1970er Jahren ganz oben und die daraus resultierenden Einnahmen machten es auch den staatlichen Stellen leichter, sich bei Filmankäufen über ideologische Bedenken hinweg zu setzen.

Das Programm besteht zum einen aus amerikanischen Filmen, die in der DDR zu sehen waren und zu grundsätzlichen Positionierungen in der Filmpublizistik führten. Ihnen zur Seite stehen DEFA-Produktionen und Abschlussarbeiten der staatlichen Filmhochschule in Babelsberg, in denen sich der Facettenreichtum der Auseinandersetzung mit „Amerika“ im Filmschaffen der DDR zeigt. Lose ziehen sich einige assoziative Fäden durch die Auswahl. So verbindet manche Filme neben einer romantischen, aber bereits enttäuschten Sehnsucht die zentrale Bedeutung von Landschaften als Projektionsflächen, wobei die tatsächlich gezeigte Landschaft stets der Ersatz für eine andere ist. Dramaturgisch spielen zudem die Elemente des Gerichtsprozesses – Verhör, Beweisaufnahme, Schuldfrage, Urteil – in mehreren Filmen eine gestaltende Rolle. Nicht zuletzt ist es spannend, Spencer Tracy und Richard Widmark dabei je zweimal als markante Charaktere zu sehen, die historische Zerreißproben zu bestehen haben. (Tobias Hering)

Die Retrospektive Das Andere Amerika wurde kuratiert von Tobias Hering. Wir danken dem Deutschen Filminstitut-Filmmuseum Frankfurt für die freundliche Unterstützung.

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