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Die auch als „Medien-documenta” bezeichnete sechste Ausgabe der Kasseler Kunstausstellung wartete 1977 zum ersten Mal mit einem umfangreichen Programm zeitbasierter Medien auf und verteilte dieses – auch räumlich – auf verschiedene Sektionen. „Videokunst“, „Experimentalfilm“ und „Kinofilm“ beschritten auf der documenta fortan für eine Weile getrennte Wege.

Unter dem Titel „Kino der siebziger Jahre“ zogen der damalige Sprecher des Internationalen Forums des Jungen Films Ulrich Gregor und der Filmjournalist Peter W. Jansen das analytische Resümee eines Jahrzehnts, das noch gar nicht beendet war. Die „wichtigsten Erscheinungsformen und Trends, die den künstlerisch ambitionierten Film der siebziger Jahre ausmachen“ sollte ihr Kinoprogramm dokumentieren (documenta 6-Katalog). Neben reflexiven Formen und intermedialen Bezügen machten sie unter dem Titel „Befragung der Wirklichkeit“ einen großen Korpus an Filmen aus, die einen „Dialog mit der Wirklichkeit“ führen und dieser „unter Umständen einen eigenen Entwurf entgegensetzen“. History of Postwar Japan as Told by a Bar Hostess diente ihnen als ein Beispiel dieser Strömung des modernen Films.

In dem 1970 entstandenen Dokumentarfilm interviewt Imamura Shōhei die Barbesitzerin Etsuko Akaza, genannt „Madame Omboro“, die die Geschichte ihres Lebens vom Kriegsende bis in die Gegenwart erzählt. „Madame Omboro“ berichtet dabei auch von ihrer Arbeit auf einem Stützpunkt der US-Marine in der Hafenstadt Yokosuka. Als sie zum Ausdruck bringt, einen Weg gefunden zu haben, mit der Besatzung und ihren Folgen umzugehen, präsentiert Imamura Wochenschauaufnahmen, die in unterschiedlichem Maße antiamerikanisch gefärbt sind und die „Madame Omboros“ Erzählungen mitunter ironisch widersprechen. History of Postwar Japan as Told by a Bar Hostess interessiert sich nicht nur für eine Befragung der Wirklichkeit (der Bilder), Imamuras Film erzählt auch eine Gegengeschichte zur offiziellen Nachkriegsgeschichte Japans. (jf)