Tagebuch eines Liebenden
Tagebuch eines Liebenden
BRD 1977, R/B: Sohrab Shahid Saless, K: Mansur Yazdi, M: Rolf Bauer, D: Klaus Salge, Eva Manhardt, Edith Hildebrandt, Ingeborg Ziemendorff, Robert Dietl, Ursula Alexa, Dorothea Moritz, 91’ · 35 mm
DO 23.06. um 20 Uhr + DI 28.06. um 20 Uhr · Einführung: Jan Gympel
Schon auf der Berlinale 1974 war Sohrab Shahid Saless mit gleich zwei Filmen aufgefallen: Yek Ettefaghe Sadeh/Ein einfaches Ereignis und Tabiate Bijan/Stillleben. Auch Tagebuch eines Liebenden, den er nach dem Erfolg von In der Fremde realisieren konnte, war wieder eine karge Alltagsgeschichte, deren ruhiger, stiller Habitus aber zugleich jenem ihres Protagonisten entsprach. Geschildert werden einige Tage im (scheinbar) unspektakulären Leben eines wortkargen Fleischers mittleren Alters: Eines Montagmorgens erwacht er, ohne sich genau daran erinnern zu können, was am Wochenende passiert ist. Er weiß nur noch, dass seine Freundin im Streit von ihm gegangen ist. Nun meldet sie sich nicht mehr, während er auf ein Wiedersehen mit ihr hofft.
Zur Uraufführung im Internationalen Forum des Jungen Films der Berlinale 1977 schrieb Saless: „Hinter jedem Fenster einer Fassade leben Menschen, die noch geduldig auf ‚Utopia’ warten. Michael Bauer, der Fleischer, ist einer dieser Menschen. Für mich aber ist sein Leben nicht deswegen öde und trostlos, weil er einsam und vergessen lebt, sondern weil er das Produkt einer Gesellschaft ist, in der er schon längst sein Gleichgewicht verloren hat. (…) Alles, was wir tun, ist politisch, aber wenn man davon ausgehen würde, daß die Zeit, in der wir leben, dokumentarisch aufgezeichnet werden müßte, damit man später von unserem Leben des Wesentliche erfahren könnte, so will ich in meinem Film zeigen, wie wir gelebt haben und in welche Löcher wir gefallen sind.“ (Infoblatt des 7. Internationalen Forums des Jungen Films 1977)
Das Psychogramm lief auch auf zahlreichen weiteren Festivals weltweit, wurde beachtet und ausgezeichnet. Seine Erstsendung erlebte der unübersehbar in West-Berlin gedrehte Film 1979 im dritten Fernsehprogramm des WDR. Über eine Ausstrahlung in einem Kanal, der damals auch in Berlin empfangen werden konnte, ist nichts bekannt. (gym)
Das Zeughauskino präsentiert die Filme von Sohrab Shahid Saless im Rahmen einer umfangreichen Retrospektive.