|   DOMINIK GRAFEINE WERKSCHAU
 Fragt man Freunde,  Verwandte, Fernsehzuschauer und Kinoliebhaber, so zählen die Ausstrahlung und  Vorführung von Filmen, bei denen Dominik Graf Regie führte, zu den Ereignissen,  die keiner verpassen möchte. In über 60 Kino- und TV-Spielfilmen, Dokumentationen  und Serienfolgen haben Grafs Arbeiten eine Brillanz und Raffinesse erworben,  die die Routinen des Kino- und Fernsehalltags durchbrechen und bei Publikum und  Kritik gleichermaßen geschätzt werden. Mit zehn Grimme-Preisen, vier Deutschen  Fernsehpreisen und einem Deutschen Filmpreis zählt Graf zu den am häufigsten  ausgezeichneten Fernsehregisseuren Deutschlands. Im Rahmen einer umfangreichen  Werkschau, die unter der Schirmherrschaft der Intendantin des Westdeutschen  Rundfunks, Monika Piel, steht, ist Grafs gesamtes Œuvre zu erleben: Kino- wie  auch Fernsehproduktionen, ein früher Autorenfilm, aber vor allem eine oft in  dieser Breite nicht wahrgenommene Vielfalt der Genrefilme. Wir freuen uns, dass  Dominik Graf, der am 6. September 60 Jahre alt wird, am 8. September ins  Zeughauskino kommen und über seine Arbeit sprechen wird.Die Werkschau  DOMINIK GRAF wäre nicht zustande gekommen ohne die wertvolle Unterstützung  zahlreicher Mitstreiterinnen und Mitstreiter. Wir danken Ulrich Wilhelm,  Bettina Reitz und Katrin Schmid (Bayerischer Rundfunk), Gebhard Henke und Frank  Tönsmann (WDR), Thomas Bellut, Reinhold Elschot, Alexander Stock, Michael  Helbach und Alexandra Dexheimer (ZDF), Gloria Burkert, Patrick Horn, Carla  Schild-Kreindl und nicht zuletzt Dominik Graf. Ein besonderer Dank geht an Marco  Abel, Jesko Jockenhövel, Chris  Wahl und Michael Wedel, deren Sammelband Im Angesicht des Fernsehens. Der  Filmemacher Dominik Graf wir am 8. September vorstellen werden.
 Eine Werkschau des Zeughauskinos und der Deutschen Kinemathek – Museum  für Film und Fernsehen unter der Schirmherrschaft der Intendantin des  Westdeutschen Rundfunks, Monika Piel, mit freundlicher Unterstützung des  Zweiten Deutschen Fernsehens, des Westdeutschen Rundfunks und des Bayerischen  Rundfunks.    DOMINIK GRAF TrefferBRD 1984, R: Dominik  Graf, B: Christoph Fromm, K: Helge Weindler, D: Dietmar Bär, Max Wigger, Tayfun  Bademsoy, Barbara Rudnick, Gudio Gagliardi, 103’       35 mm
 Nach Das zweite  Gesicht und der Arbeit an der von Felix Huby geschriebenen Serie Köberle kommt verfilmte Graf mit Treffer Christoph Fromms Drehbuch-Abschlussarbeit  an der HFF München. Dieses Porträt dreier befreundeter Biker, denen ihr  Motorrad über alles geht (sogar über ihr eigenes Leben), war Grafs erster  Buddy- bzw. Coming-of-Age-Film. In ihm spiegelte sich zum einen, wie Graf  selbst mehrfach in Interviews geäußert hat, seine eigene Internatszeit wieder,  zum anderen aber seine Begeisterung für die Filme von Klaus Lemke, und zwar  insbesondere für Rocker (1972). Treffer ist ein Kristallisationspunkt in  Grafs Werk, von dem die beiden großen Leitlinien seines Wirkens bis heute  ausstrahlen: das wortreiche, im Hier und Jetzt verankerte Beziehungsdrama und  der abgründige, in die Tiefen der Psyche reichende Kriminalfall. Vorbild für die  erste Leitlinie waren „die Franzosen“. Grafs diesbezügliches Schlüsselerlebnis  hieß La maman et la putain (1973,  Jean Eustache): „Das war damals so ungefähr der einzige Film, den ich bis dahin  gesehen hatte, der irgendwas mit der Realität zu tun hatte, die ich auch  kannte. Also – Universität, Menschen, Halbakademiker, Schwierigkeiten, Reden,  Beziehungsprobleme und so.“ (zit. nach Hans-Ulrich Pönack, tip, 13.7.1984).. Die zweite Leitlinie speist sich  sicherlich aus mehreren Quellen, darunter etwa die Tradition der deutschen  Krimiserie, das Kino des „New Hollywood“ sowie die Filme von Nicolas Roeg. (cw)
 Einführung Thomas Groh
 am 1.9.2012 um 19.30  Uhr
   DOMINIK GRAF Der SkorpionD 1997, R: Dominik  Graf, B: Günter Schütter, K: Benedict Neuenfels, D: Marek Harloff, Heiner  Lauterbach, Renate Krößner, Ulrich Noethen, 100’            35 mm
 Ein Film, der den Dreck aufsammelt, „den Dreck der Straßen,  der Seelen, der Gedanken und den sexuellen Dreck“ (Christopher Keil, Süddeutsche Zeitung, 13.9.2008). – Der Skorpion war eine Herausforderung  für den öffentlich-rechtlichen Sender, der den Film produziert hat, und zwar  nicht nur inhaltlich: Die Redakteure des ZDF seien zunächst erschüttert gewesen  ob der frechen Vermengung von deutschem Fernsehspiel und einer Bildästhetik,  die von amerikanischen Musikvideos und Werbeclips beeinflusst war. Doch das Schöne  am öffentlich-rechtlichen System bleibt seine Widersprüchlichkeit: Auf dem  Fernsehfilm-Festival in Baden-Baden wurde Der  Skorpion schließlich als bester Film prämiert. Im Zentrum der Geschichte  steht ein schwieriges Vater-Sohn-Verhältnis – hier der autoritäre Polizist  (Heiner Lauterbach), dort der sensible Schwärmer (Marek Harloff), der sich bei  seinen Ablösungsversuchen in ein Geflecht aus Drogen, Prostitution und Mord  verstrickt. Als Kollege des Vaters und Freundin des Sohnes glänzen die  Graf-Dauerbrenner Ulrich Noethen und Birge Schade. Visueller Höhepunkt des  Films ist der Showdown auf dem Balkon der Familienwohnung, von Kameramann  Benedict Neuenfels gekonnt mit Durchsichten und Spiegelungen in Szene gesetzt.
 am 1.9.2012 um 22.00  Uhr
   DOMINIK GRAF Bei TheaBRD 1987, R: Dominik  Graf, B: Johannes Reben, K: László Kadar, D: Marianne Hoppe, Ida Ehre, Hertha  Schwarz, Hannes Jaenicke, 105’
 Die Schlussszene dieses Films bezeichnet Dominik Graf nicht  umsonst als eine der schönsten, die er je gedreht habe (in einem Interview mit  Ekkehard Knörer, Cargo-Online, November  2008): Zwei alte Damen in der Ankunftshalle des Münchener Flughafens; die eine,  Else (Ida Ehre), ist in einem Flugzeug aus Israel gelandet, die andere, Thea  (Marianne Hoppe), ist gekommen, ihre ehemalige Freundin abzuholen. Zwischen  beiden liegen die Jahre des Krieges, des Holocaust und des Versuches zu  vergessen, zu verdrängen und zu vergeben. Der Film lässt offen, ob und wie die  beiden miteinander umgehen werden: Sie bewegen sich zwar aufeinander zu, doch  bevor sie tatsächlich aufeinander treffen, wird abgeblendet. Diese Szene ist  nicht nur durch die vorangehende narrative Konstruktion aufgeladen, sondern  natürlich auch durch die Biografien der beiden Hauptdarstellerinnen – auf der  einen Seite die Tochter eines jüdischen Oberkantors, die den Krieg im KZ  Fuhlsbüttel verbrachte; auf der anderen Seite die ehemals mit Gustaf Gründgens  verheiratete Ufa-Starschauspielerin – und durch die Spannungen, die es zwischen  ihnen während der Dreharbeiten gegeben haben soll (Dieter Bartetzko, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28.11.2009).  Als Vermittlungsfigur lässt der Autor Johannes Reben, der für Graf auch Reise nach Weimar (1996) geschrieben  hat, den „Stiefenkel“ von Else, David (Hannes Jaenicke), zum Studium nach  München kommen und seine richtige Großmutter Thea in dem von ihr geführten und  mit viel Lokalkolorit geschilderten Schwulenlokal „Bei Thea“ im Stadtteil um  den Gärtnerplatz kennenlernen. Einer der zu Unrecht vernachlässigten Filme von  Graf. (cw) am 2.9.2012 um 17.00 Uhr    DOMINIK GRAF Das GelübdeD 2007, R: Dominik  Graf, B: Markus Busch, Dominik Graf, K: Michael Wiesweg, D: Mišel Matičević,  Tanja Schleiff, Anke Sevenich, 92’       35 mm
 Mit dem „düster-strengen Werk“ (Thorsten Wahl, Berliner Zeitung, 30.5.2008) Das Gelübde hat Dominik Graf nach Der rote Kakadu seinen zweiten  Historien- bzw. Kostümfilm gedreht, in dem sich der sonst so draufgängerische Mišel  Matičević in der Rolle des romantischen Dichters Clemens Brentano deutlich  sensibler geben muss, was ihm hervorragend gelingt. Das Drehbuch von Markus  Busch basiert auf dem gleichnamigen Roman von Kai Meyer sowie auf  Begebenheiten, die sich im Jahre 1818 im westfälischen Dülmen am Krankenlager  der 2004 seelig gesprochenen Nonne Anna Katharina von Emmerick (Tanja Schleiff)  abgespielt haben sollen. Brentano war aufgrund einer Lebenskrise in den Schoß  der katholischen Kirche zurückgekehrt, hatte seinen Hausstand in Berlin  aufgelöst und sich bereiterklärt, die Visionen der Nonne, an deren Körper sich  die Wundmale Christi auf Brust, Stirn und Händen gezeigt haben sollen, zu  protokollieren. Die Frage, die Graf hierbei vordringlich interessiert, ist die  nach dem Verhältnis eines persönlichen künstlerischen Anspruchs und dessen  Aufgabe zugunsten der Anforderungen eines Auftrags oder eines höheren Prinzips.  Wie viel Brentano steckt in den überlieferten Visionen der Nonne? „Sagen wir es  so,“ schrieb Gunnar Deckert begeistert im Neuen  Deutschland (30.5.2008): „wegen Filmen wie diesem weiß man wieder, warum  man überhaupt noch Rundfunk- und Fernsehgebühren zahlt.“ (cw) am 2.9.2012 um 19.00    DOMINIK GRAF Frau Bu lacht  (Sendereihe: Tatort)D 1995, R: Dominik  Graf, B: Günter Schütter, K: Benedict Neuenfels, D: Miroslav Nemec, Udo  Wachtveitl, Ulrich Noethen, Maverick Queck, 90’
 Nach dem Flop an der Kinokasse mit Die Sieger (1994) zog sich Dominik Graf wieder auf das für ihn  sichere Terrain der Fernsehserie zurück und drehte – ebenfalls nach einem  Drehbuch von Günter Schütter – einen Tatort, der mit „einer Aura nicht nur aus  Schönheit und Kunst, sondern auch aus gesuchter Finesse und gewollter  Rätselhaftigkeit“ (Barbara Sichtermann, Die  Zeit, 1.12.1995) nicht nur zu den besten Folgen der Reihe, sondern auch zu  den gelungensten Filmen in Grafs Œuvre überhaupt gehört. „Graf leistet sich  überraschende Sprünge und Perspektivwechsel,“ schrieb Peter Körte in der Frankfurter Rundschau (25.11.1995), „und  ebenso wie seinem Kameramann Benedict Neuenfels ist es ihm offensichtlich  zuwider, die Szenen ins fernsehübliche Schlachthauslicht zu rücken, um dort  krude dramaturgische Operationen durchzuführen.“ Berühmt geworden ist  beispielsweise die kleine surreale Sequenz, in der Kommissar Batic (Miroslav  Nemec) und Kommissar Leitmayr (Udo Wachtveitl) hintereinander fast exakt  denselben Dialog mit ihrer mütterlichen Freundin Jenny (Barbara Magdalena  Ahren) führen. Ulrich Noethen überzeugt darüber hinaus – wie so häufig bei Graf  – als veritabler „Kotzbrocken“, hier: als Kunde einer Agentur, die Frauen aus  Thailand mit kleinen Töchtern an deutsche Männer vermittelt, die darauf an  Mädchen ihre pädophile Neigungen ausleben. Die subtile Verstörung, die der Film  nicht nur erzählt, sondern auch ausstrahlt, wird durch eine dumpfe Tonfolge  unterstrichen, die Graf aus dem Soundtrack von Die Sieger übernommen hat. (cw) am 2.9.2012 um 21.00 Uhr    DOMINIK GRAF Das zweite GesichtBRD 1982, R/B:  Dominik Graf, K: Helge Weindler, D: Greta Scacchi, Thomas Schücke, Irene  Clarin, Brigitte Karner, Charles Brauer, 101’  35 mm
 Anfang der 1980er Jahre sah Dominik Graf seine Zukunft noch  als Autorenfilmer. So schrieb er für seinen ersten Kinofilm Das zweite Gesicht auch das Drehbuch und  die Musik. Mit dem Ergebnis war er dann allerdings überhaupt nicht zufrieden.  Bis heute hält Graf selbst den Film für misslungen. „Er ist zu selbstverliebt  und zu langsam“ (Der Tagesspiegel v.  4.11.1990). Zeitgenössische Kritiker fällten wesentlich positivere Urteile als  der Regisseur, den Urs Jenny im Spiegel (3.1.1983) gar als einen „frühreifen Virtuosen“ mit „großer Kunstfertigkeit“  bezeichnete. Das mag vielleicht übertrieben gewesen sein, dennoch ist der heute  weitgehend unbekannte subtile Horrorfilm zum Thema Wiedergeburt auch wegen  seiner ganz speziellen 1980er-Jahre-Atmosphäre, die ihn in die Nähe von  Kultfilmen wie Diva (1981,  Jean-Jacques Beineix) rückt, sicherlich eine der Entdeckungen, die man in Grafs  Werk machen kann. Dies nicht zuletzt wegen dem für seine weitere Karriere  bezeichnenden sehr geschickten Einsatz der Musik, „die den Eindruck, man  verliere langsam den Boden unter den Füßen, noch verstärkt“ (Gunar Hochheiden, Frankfurter Rundschau, 9.4.1983). Trotz  dieser Lobeshymnen verabschiedete sich Graf gleich nach seinem Erstling – in  dem „nahezu alle Dinge, die mich interessieren, vorkommen“, wie er 1994 in  einem Interview für Steadycam (28)  bemerkte – vom Autorenkino und ging zunächst beim Fernsehen in die Lehre. (cw)  am 4.9.2012 um 20.00  Uhr   DOMINIK GRAF Die SiegerD 1994, R: Dominik  Graf, B: Günter Schütter, K: Diethard Prengel D: Herbert Knaup, Hannes  Jaenicke, Heinz Hoenig, Katja Flint, Meret Becker, 137’
 Blickte Dominik Graf Ende der 1990er Jahre zwar mit Milde  auf den in der Phase rund um die Wiedervereinigung herrschenden Spaßwahn zurück,  da die Komödien „wieder einen finanziellen Untergrund und ein Vertrauen des  deutschen Publikums in deutsche Filme überhaupt geschaffen“ hätten, so war er doch  selbst einer der größten Leidtragenden dieser Stimmung gewesen. Die Sieger, der sein großer Wurf zur  Etablierung des Polizeigenres im deutschen Kino werden sollte, kostete zwölf  Millionen Mark, hatte aber nur 160.000 Zuschauer, nicht zuletzt weil er „eine  von Anfang an zu große Finsternis ausgestrahlt hat“, „zu wenig Leichtigkeit, Humor  und auch zu wenig Offenheit“ versprühte, womit gegen die „permanente  Faschingsstimmung“ in deutschen Kinos kaum anzukommen war (Graf zit. nach  Stefan Stosch, Verstörung im Kino, 1998).  In einem zähen, drei Jahre lang dauernden Zerren mit den Produzenten ist von  der ursprünglichen Idee nur noch ein „Torso“ geblieben und die Gewissheit, dass  man sich „einen Film nicht beschädigen lassen darf durch jahrelange  Entscheidungsprozesse“ (Graf zit. nach Christina Bylow, Die Welt, 9.7.1999). Trotz allem ist der Film bis heute absolut  sehenswert, und zwar aus mehreren Gründen: Da sind zum einen die klasse  Leistungen von Darstellern wie Herbert Knaup und Hannes Jaenicke bzw.  Darstellerinnen wie Katja Flint und Meret Becker sowie die sehr glaubwürdige  Inszenierung von Einsätzen und Innenleben eines Spezialkommandos der Polizei;  zum anderen ist der Film visuell exzellent gestaltet, beispielsweise mit  geschickten Spiegeleffekten in der Eingangssequenz, und profitiert von einem  reduzierten, aber sehr wirkungsvollen Soundtrack, bei dem Graf selbst seine  Finger im Spiel hatte. (cw) am 5.9.2012 um 20.00 Uhr    DOMINIK GRAF Der FahnderBRD 1983-2001, R:  u.a. Dominik Graf, D: Klaus Wennemann, Barbara Freier, Dietrich Mattausch,  Dieter Pfaff, Hans-Jürgen Schatz,Birge Schade, jeweils 50’        DigiBeta
 Die Bavaria-Serie Der  Fahnder (1983-2001) war für Grafs Karriere nicht nur deshalb wichtig, weil  er sich dort direkt nach dem Studium die nötige Routine holen, Erfahrungen  sammeln, kurz: das Handwerk von der Pike auf erlernen konnte; sondern auch weil  seine Mitarbeiter bei den von ihm zwischen 1983 und 1993 inszenierten 13 Folgen  einen ganz wichtigen Stamm des Personals stellen, mit dem er auf seinem  weiteren Weg zusammengearbeitet hat. Dies betrifft beispielsweise die  Schauspielerin Birge Schade oder den Kameramann Diethard Prengel, der später  als Schlusspunkt ihrer Zusammenarbeit Die  Sieger (1994) fotografierte, aber vor allem die Drehbuchautoren Günter  Schütter und Rolf Basedow. Schütter schrieb neben der Folge Baal (1991), einer Art Remake von Cape Fear (1962, J. Lee Thompson), auch  Grafs Lieblingsepisode Nachtwache (1993), die genauso eine erzählerische Blaupause für die Polizeiruf-Folge Der scharlachrote Engel (2004) darstellt  wie die von Bernd Schwamm geschriebene Folge Über dem Abgrund (1987) für den Kinofilm Die Sieger. Nicht zuletzt deshalb erscheint Der Fahnder in der Retrospektive wie ein Übungsfeld, auf dem Graf  jahrelang Zutaten und Rezepte erproben konnte. Außerdem wurde die durch die  Serie etablierte Zusammenarbeit mit den öffentlich-rechtlichen Sendern zu  seiner Arbeitsbasis, die ihm seine bis heute anhaltende erfolgreiche Karriere  erst ermöglicht hat. Neben dem Regisseur selbst ist die große Attraktion der  Serie natürlich ihr Hauptdarsteller Klaus Wennemann (als Kommissar Faber), in  dem Graf einen kongenialen Partner für seine Vorstellungen von schneller und  überlappender Dialogführung gefunden hat. (cw)  Eintritt freiam 7.9.2012 um 17.00  Uhr: Baal
 am 8.9.2012 um 19.00  Uhr: Nachtwache
 am 9.9.2012 um 17.00 Uhr: Bis ans Ende der Nacht
   DOMINIK GRAF Der FelsenD 2002, R: Dominik  Graf, B: Markus Busch, Dominik Graf, K: Benedict Neuenfels, D: Karoline  Eichhorn, Ralph Herforth, Soraya Gomaa, Peter Lohmeyer, 122’          35 mm
 Der „Frauenurlaubskrisenfilm“ Der Felsen, Grafs erster Kinospielfilm nach Die Sieger, in dem er die von Karoline Eichhorn gespielte Katrin „in  diese Mischung aus Natur und Ballermannstimmung“ (Graf zit. nach Katja  Nicodemus, Die Zeit, 18.7.2002) auf  Korsika entließ, war ein Experiment, in dem eine digitale Touristenkamera mit  einer teils artifiziellen Tonspur gekoppelt wurde. Der Film kam daher als „eine  Art Ferienvideo mit Orchesterbegleitung und einem bereits eingesprochenen  Audiokommentar“ (Graf zit. nach Margret Köhler, in: film-dienst 6/2002), war ein kinematografischer Zwitter, der auf  der Berlinale, wo er im Wettbewerb lief, seine Gespaltenheit auf Publikum und  Kritik übertrug. „Die Heftigkeit der Aggression, die uns entgegenschlug, hat  mich überrascht“, gestand Graf dem Spiegel (22.7.2002) mit etwas Abstand im Jahr 2002. Den weitschweifigen,  vielstimmigen und allwissenden Off-Kommentar hatte Graf genauso aus München – Geheimnisse einer Stadt (2000)  übernommen wie die an Chris Markers La  Jetée (1962) erinnernde Fotofilmtechnik sowie die Erzählmethode, einzelne  Objekte zu verfolgen, um die Geschichten ihrer wechselnden Besitzer  kennenzulernen. Dafür digitale Videotechnik zu verwenden ohne alle  Dogma-Kriterien einzuhalten, erwies sich als hochexplosive Mischung, deren  Zustandekommen sich kurzfristig ergeben hatte, als drei Wochen vor Drehbeginn  klar geworden war, dass das Budget die Arbeit mit Filmmaterial nicht zulassen  würde. Man hat fast den Eindruck, das sei Graf sogar gelegen gekommen: „Wir  hatten schon bei Der Skorpion unser  Drehteam auf einen Rumpf von knapp zehn Leuten reduziert. Der Felsen war dahin gehend die konsequente Weiterführung. Und die  Arbeit mit DV war wirklich ein Akt der Befreiung“ (Graf zit. nach Andreas  Busche, taz, 13.2.2002). (cw)  am 7.9.2012 um 21.00  Uhr   DOMINIK GRAF Eine Stadt wird  erpresstD 2006, R: Dominik  Graf, B: Rolf Basedow, K: Alexander Fischerkoesen, D: Uwe Kockisch, Mišel  Matičević, Julia Blankenburg, Thomas Neumann, 95’
 Dominik Graf ist einer der wenigen westdeutschen  Spielfilm-Regisseure, die sich seit der Wiedervereinigung regelmäßig mit der  Situation im Osten auseinandergesetzt haben. Wie es seine Art ist, steht dabei  die gesellschaftliche Analyse niemals als Selbstzweck im Vordergrund, sondern  verschmilzt mit Genrebausteinen der Liebeskomödie (Reise nach Weimar, 1996) oder des Krimis (Morlock – Die Verflechtung, 1993). Genau wie letzterer, ebenfalls  von Rolf Basedow geschriebener Film spielt auch der mit mehreren Grimme-Preisen  ausgezeichnete Eine Stadt wird erpresst in Leipzig und den angrenzenden Braunkohlegebieten. Die Stadt wird von  Unbekannten erpresst, die ihren Forderungen mit einem Anschlag auf das  Stromnetz Nachdruck verleihen. Graf läuft zu Höchstform auf, wenn die zähe  Übergabe der geforderten Diamanten fast in Echtzeit erzählt wird. Der Zugriff gelingt  nicht und die anschließende Suche konzentriert sich auf das fiktive, vom  Bergbau bedrohte Dorf Gralwitz, in dem sich – wie sich herausstellen wird – in  der Not eine Art Solidargemeinschaft gebildet bzw. erhalten hat. Trotz des  charismatischen Mišel Matičević (Inspektor Banderes), der an einer Stelle sich  selbst als Hotte im Paradies zitieren  darf („Machste mal ’n Fläschchen für alle“), gerinnt der Fall zunehmend zu  einem Zweikampf zwischen Kommissar Kalinke (Uwe Kockisch) und dem Dorfobersten  Günter Naumann (Thomas Neumann), die noch aus der DDR-Zeit eine Rechnung  miteinander offen haben. (cw) am 8.9.2012 um 17.00 Uhr    DOMINIK GRAF Im Angesicht des FernsehensBuchpräsentation  und Gespräch mit Dominik Graf
 In der deutschen Medienbranche genießt Dominik Graf,  der am 6. September 2012 60 Jahre alt wird, einen einzigartigen Ruf als  Regisseur für Kino und Fernsehen. Von Die  Katze (1988) über Deine besten Jahre (1999)  und Bittere Unschuld (1999) bis zu Im Angesicht des Verbrechens (2010) hat  der akribische Perfektionist in über 60 Spielfilmen, Dokumentationen und  Serienfolgen Qualitätsmaßstäbe gesetzt. Die Kritik hat seine Arbeit stetig und  zumeist wohlwollend begleitet, von der Wissenschaft wurde deren Bedeutung  bislang kaum angemessen wahrgenommen. Aus diesem Grund erscheint bei der  edition text + kritik (München) rechtzeitig zur Retrospektive der Sammelband Im Angesicht des Fernsehens (hg. von  Chris Wahl, Marco Abel, Jesko Jockenhövel, Michael Wedel), der aus 16  unterschiedlichen Perspektiven ein vielschichtiges Werkporträt Grafs entwirft.  Zur (nachträglichen) Feier seines runden Geburtstages werden die Herausgeber  das Buch am 8. September in Anwesenheit des Regisseurs kurz präsentieren, bevor  es zum Hauptprogrammpunkt des Abends übergeht: einem Live-Gespräch mit Dominik  Graf, bei dem das Publikum die Möglichkeit hat, selbst Fragen zu stellen.Eintritt  frei
 am 8.9.2012 um 20.00  Uhr
   DOMINIK GRAF Der scharlachrote  Engel (Sendereihe: Polizeiruf 110)D 2004, R: Dominik  Graf, B: Günter Schütter, K: Alexander Fischerkoesen, D: Edgar Selge, Michaela  May, Nina Kunzendorf, Martin Feifel, 89’
 Am 27. Juni 1971 wurde der Polizeiruf 110 zum ersten Mal im Deutschen Fernsehfunk der DDR als  Gegenstück zum westdeutschen Tatort,  der erstmals am 29. November 1970 auf Sendung gegangen war, ausgestrahlt. Seit  der Abwicklung des DFF existieren beide Serien parallel zueinander und teilen  sich den Sendetermin am Sonntagabend. Dominik Graf hat bis heute sowohl zwei Tatorte also auch drei Polizeirufe beigesteuert, von denen Der scharlachrote Engel sein erster  gewesen ist. Darin haben es die Kommissare Jo Obermaier (Michaela May) und  Jürgen Tauber (Edgar Selge) mit einem Fall von sexueller Gewalt zu tun, der die  Frage nach dem Grad der gegenseitigen Durchsetzung von realer und digitaler  Welt stellt. Will Flo (Nina Kunzendorf) wirklich Sex mit Will (Martin Feifel),  nur weil sie ihn online gegen Bezahlung so richtig heiß gemacht hat? „In aller  gebotenen Deutlichkeit zeigt Dominik Graf die Vergewaltigung, die das ‚echte  Leben’ vom virtuellen Raum des Internet so grundsätzlich unterscheidet: In der  Wirklichkeit ist eine Vergewaltigung keine imaginäre sexuelle Phantasie,  sondern eine grausame Tat,“ schrieb Klaudia Brunst in der Berliner Zeitung (19.2.2005). Kritiker wie Edo Reents in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (19.2.2005)  bemängelten dagegen „die pädagogisch wertvolle Aufklärung über Risiken und  Nebenwirkungen des world wide web“.  Das Drehbuch zu Der scharlachrote Engel von  Günter Schütter basiert auf Grafs von ihm selbst gedrehter Lieblingsfolge der  Serie Der Fahnder mit dem Titel Nachtwache (1993). (cw) am 9.9.2012 um 21.00 Uhr    DOMINIK GRAF Deine besten JahreD 1999, R: Dominik  Graf, B: Markus Busch, Bernd Schwamm, K: Benedect Neuenfels, D: Martina Gedeck,  Tim Bergmann, Carla Hagen, Tobias Moretti, Birge Schade, 90’
 Die beiden quasi im Doppelpack hergestellten Melodramen Deine besten Jahre und Bittere Unschuld (1999) veranlassten die Süddeutsche Zeitung (30.6.1999) dazu,  von „ein paar Mysterien“ zu sprechen, „die den deutschen Film umgeben – daß  ausgerechnet Dominik Grafs Filme eher im Fernsehen laufen als im Kino, ist  eines davon.“ Besonders Deine besten  Jahre hatte es den Kritikern angetan: „So persönlich, rätsel- und  meisterhaft wie in diesem Film hat man nicht nur die wie schon gewohnt herausragende  Hauptdarstellerin Martina Gedeck, sondern vor allem auch diesen Regisseur noch  nicht gesehen. Von ihm lässt sich ohne Zweifel sagen, dass er in den besten  Jahren sei“ (Michael Hanfeld, Frankfurter  Allgemeine Zeitung, 6.9.1999). Gedeck spielt die kunsthistorisch  interessierte Ehefrau eines Industriellen, die zunächst um ihren Mann und nach  dessen plötzlichem Tod um die Firma kämpft. Dieser Kampf führt sie nicht nur in  die Untiefen der Familiengeschichte, sondern auch zu einer Auseinandersetzung  mit ihrer eigenen Persönlichkeit. Gemeinsam mit Kameramann Benedict Neuenfels hat  Graf die gebrochen-gläserne Architektur des Wohnsitzes der großbürgerlichen  Familie wie einen Spiegel ihrer Seele inszeniert. Für Graf auch ein besonderes  Anliegen, gleicht doch die in Günzburg gelegene Villa nicht nur seinem  Elternhaus in München-Unterföhring, sondern wurde sogar von demselben  Architekten erbaut. (cw) am 10.9.2012 um 19.00 Uhr    DOMINIK GRAF Die KatzeBRD 1988, R: Dominik  Graf, B: Christoph Fromm, Uwe Erichsen, K: Martin Schäfer, D: Götz George,  Heinz Hoenig, Gudrun Landgrebe, Ulrich Gebauer, 118’  35 mm
 Der Höhepunkt der Zusammenarbeit zwischen Dominik Graf und dem  Autor Christoph Fromm stellt sicherlich Die  Katze dar. Grafs „klarer, exakter und nach Treffer (1984) und Drei gegen  Drei (1985) zum erstenmal wirklich überzeugender Inszenierungsstil rückt  den Film in die Nähe seiner großen amerikanischen Vorbilder“, schrieb Carla  Rhode in ihrer Kritik im Tagesspiegel.  Das sahen auch die Zuschauer so: Die  Katze ist bis heute mit 1,5 Millionen Zuschauern Grafs einziger nennenswerter  Erfolg an der Kinokasse und zudem nach Das  Boot (1981, Wolfgang Petersen) sowie neben Abwärts (1984, Carl Schenkel) der gültige bundesdeutschen Actionstreifen der 1980er Jahre. Beigetragen hat dazu nicht  zuletzt die Starbesetzung mit Götz George (Probek) und Gudrun Landgrebe (Jutta  Ehser) als durchtriebenes Gaunerpärchen, das einen ausgeklügelten Coup in der  von ihrem Gatten (Ulrich Gebauer) geleiteten Bankfiliale durchzieht, der für  Probek allerdings ein unverhofftes Ende nimmt. Einen seiner einprägsamen  Auftritte hat darüber hinaus Heinz Hoenig als ausführendes Organ seines  „Masterminds“ Probek. Laut Peter Körte war Die  Katze der Startschuss für Grafs „wachsende Bewußtheit im Umgang mit dem  Fotografischen“ (CineGraph), die sich  hier u.a. in der Inszenierung von Glasflächen niederschlägt. Der dafür  verantwortliche Kameramann Martin Schäfer, der zuvor mit Wim Wenders und Edgar  Reitz gearbeitet hatte, starb nur kurz nach dem Ende der Dreharbeiten. (cw)  am 10.9.2012 um 21.00  Uhr   DOMINIK GRAF Bittere UnschuldD 1999, R: Dominik  Graf, B: Markus Busch, K: Hanno Lentz, D: Elmar Wepper, Laura Tonke, Andrea  L’Arronge, Michael Mendl, 84’
 Es beginnt mit dem Höhepunkt: Der Vorspann greift der  nachfolgenden Erzählung voraus und zeigt uns einen Ausschnitt der Sequenz, die  die Auflösung bringen wird, nicht ohne vor dem entscheidenden Moment in Freeze  Frames der vier Protagonisten und einer noch nicht aufgelösten Geste zu  erstarren. Die Standbilder verweisen darauf, dass die gezeigten Ereignisse  eigentlich an das Ende des Films gehören und lassen bereits zu Anfang vermuten,  dass die Geschichte einen tödlichen Ausgang nehmen wird. Bei der Unschuldigen,  auf die im Filmtitel Bezug genommen wird, handelt es sich um das Teenager-Mädchen  Eva, deren Vater in die Vertuschung von Todesfällen in der medizinischen  Forschung sowie in eine Vergewaltigung verwickelt wird. Im gleichen Zug droht  auch seine Ehe in die Brüche zu gehen. Eva ist mit ihrer jugendlichen Neugier  und Unerschrockenheit bald Teil eines kaputten Spiels, aus dem sie sich mit  erstaunlicher Willensstärke wieder befreien kann. Einen besonders  eindrucksvollen Auftritt legt Michael Mendl, der wenige Jahre später in Im Schatten der Macht Willy Brandt  darstellen sollte, als skrupelloser und gewalttätiger Karrierist hin. In einem  Interview mit der Welt (9.7.1999) bestätigte  Graf das Gefühl der Reife, das dieses großbürgerliche Melodram verströmt: „Allmählich  ziehen sich die Fäden schon zusammen, man begreift die Mechanismen im Leben. Man  gibt sich selber mehr Rechenschaft darüber, wie kontinuierlich das Interesse an  manchen Dingen ist und wie kontinuierlich das Desinteresse an anderen.“ (cw) am 11.9.2012 um 19.00 Uhr    DOMINIK GRAF Sperling und der  brennende ArmD 1998, R: Dominik  Graf, B: Rolf Basedow, K: Hanno Lentz, D: Dieter Pfaff, Petra Kleinert, Benno  Führmann, Katrin Saß, 96’
 Die Figur des Kommissars Sperling wurde von Rolf Basedow  kreiert, heute bestens bekannt als Autor von Graf-Filmen wie Hotte im Paradies (2002), Eine Stadt wird erpresst (2006) oder Im Angesicht des Verbrechens (2010). Von  1996 bis 2007 sind 18 Folgen der Reihe entstanden, von denen Dominik Graf zwei  gedreht hat: die erste, mit dem Grimme-Preis ausgezeichnete Sperling und das Loch in der Wand (1996)  sowie Sperling und der brennende Arm.  Der imposante Darsteller des Sperling, Dieter Pfaff, hatte bereits zum Inventar  der Serie Der Fahnder gehört, die  Grafs Karriere eingeleitet hatte, und spielte auch in seinem Schimanski-Tatort Schwarzes Wochenende (1986) eine  tragende Rolle. Die Serienfolgen beginnen jeweils mit einer Totalen der  Berliner Mitte, unterlegt von einem Zitat des ehemaligen Oberbürgermeisters  Ernst Reuter: „Schaut auf diese Stadt.“ Was man dabei nicht sehen kann, aber  von Sperling im Laufe der Serie vorgeführt bekommt: wie die bekannte Oberfläche  von bösen Kräften unterwandert ist. „Ich liebe Berlin,“ sagt er, „und ich sage  ihnen, es hat sich verändert in den letzten Jahren. Ich weiß, wovon ich rede,  ich bin Polizist.“ In Grafs Lieblingssequenz aus Sperling und der brennende Arm sieht man den Kommissar mit einem  Kollegen Billard spielen und hört, wie die beiden sich darüber unterhalten,  dass Berlin unter verschiedene Mafia-Clans aufgeteilt ist. Über eine Aufnahme  aus dem eigentlich ebenerdig in der Bleibtreustraße gelegenen Billardsaal ist  ein aus der Höhe des Europacenters gedrehter Blick auf das nächtliche  Charlottenburg kopiert. Die Überlagerung von Innen und Außen, Sicherheit und  Verbrechen, Vertrautem und Fremdem, die diese Doppelbelichtung ausdrückt, ist  eine von vielen Vorwegnahmen der Strategien, die mit Im Angesicht des Verbrechens größere Bekanntheit erzielt haben. (cw)  am 11.9.2012 um 21.00  Uhr   DOMINIK GRAF Die Freunde der  FreundeD 2002, R: Dominik  Graf, B: Markus Busch, Dominik Graf, K: Hanno Lentz, D: Matthias Schweighöfer,  Sabine Timoteo, Florian Stetter, Jessica Schwarz, 85’ DigiBeta
 Im Spätsommer 2001 drehte Dominik Graf – quasi parallel zu Der Felsen – einen weiteren Film  auf digital video, wobei er „dieses  Mal sogar mit zwei Kameras gleichzeitig“ (Graf zit. nach Rainer Gansera, Süddeutsche Zeitung, 1.2.2002) arbeitete: Die Freunde der Freunde, die Adaption  einer Henry-James-Novelle, deren Handlung aus dem 19. Jahrhundert von  Markus Busch ins Jahr 2001 verlegt und zu einem mysteriösen Coming-of-Age-Film  umgeschrieben wurde: Der schüchterne Abiturient Gregor (Matthias Schweighöfer)  steht dabei zwischen zwei ebenso dominanten wie geheimnisvollen  Persönlichkeiten – Arthur (Florian Stetter) und Billie (Sabine Timoteo).  Haupthandlungsort ist das oberbayerische Internat Schloss Stein, in dem Graf  selbst zur Schule gegangen ist. In einem kurzen Cameo sieht man ihn denn auch  als Lehrer, der morgens seine Schüler aufweckt. Graf, der in den 1990er Jahren  kurzzeitig an der Kunsthochschule für Medien in Köln Regie unterrichtet hat,  engagierte den damaligen Studenten Busch, der dort heute Professor für Drehbuch  ist und vor kurzem mit Die Räuberin (2012) seine erste Regiearbeit vorgelegt hat, vom Fleck weg für Deine besten Jahre. Außerdem schrieb  Busch für Graf auch Bittere Unschuld, Der Felsen und Kalter Frühling sowie gemeinsam mit Graf Das Gelübde und Komm‘ mir  nicht nach. Er steht somit – im Gegensatz zu Günter Schütter und Rolf  Basedow – für den gefühlvollen und, wenn man so will, „weiblichen“ Teil von  Grafs Werk in diesem Jahrtausend. (cw) am 12.9.2012 um 19.00 Uhr    DOMINIK GRAF Kalter FrühlingD 2004, R: Dominik  Graf, B: Markus Busch, K: Hanno Lentz, D: Jessica Schwarz, Mišel Matičević,  Fridrich von Thun, Matthias Schweighöfer, Markus Boysen, 89’
 Mit Kalter Frühling beendete  Graf eine Trilogie aus im Großbürgertum angesiedelten, von Markus Busch  geschriebenen Frauenmelodramen, die er fünf Jahre zuvor mit Deine besten Jahre und Bittere Unschuld begonnen hatte. „Allen  drei Filmen,“ schrieb Eva Marz in der Süddeutschen  Zeitung (12.3.2004), „geht es um Gesellschaftskritik und fast scheint es,  als wäre Dominik Graf im deutschen Film das, wofür im französischen Kino Claude  Chabrol einsteht: Ein Chronist der bürgerlichen Abgründe.“ Standen bei den  beiden ersten Filmen eine reife Frau in ihren 30ern bzw. ein Teenager-Mädchen  im Mittelpunkt, so spielt Jessica Schwarz (bis dahin nur in Nebenrollen bei  Graf) in Kalter Frühling einen Twen,  der es sich und seinen Eltern beweisen muss. Ist Sylvia Berger hart genug, sich  in der Geschäftswelt durchzusetzen und die Firma ihres Vaters zu retten?  Welchen Preis muss sie dafür zahlen? Haben ihre Eltern nur eine  Erwartungshaltung oder auch Gefühle für sie? Doch ganz subtil distanziert sich  Graf auch immer wieder von seinen Figuren: Kurz nach dem Geschlechtsverkehr verkündet  der Trickbetrüger und Playboy Rico (Mišel Matičević) ziemlich beiläufig und  überraschend: „Ich möchte, dass Du nicht mehr herkommst und dass wir uns auch  nicht mehr sehen.“ Die sichtlich getroffene, noch im Bett liegende Sylvia dreht  leicht ihren Kopf: Schnitt auf eine Sicht aus dem Fenster auf den Rhein.  Schiffe schippern vorbei, Autos fahren über eine Brücke. Das Leben draußen geht  weiter, auch wenn Sylvia für einen Moment gedacht haben muss, die Welt geht  unter. (cw) am 12.9.2012 um 21.00 Uhr    DOMINIK GRAF Tiger, Löwe, PantherBRD 1989, R: Dominik  Graf, B. Sherry Horman, K: Klaus Eichhammer, D: Natja Brunckhorst, Martina  Gedeck, Peter Lohmeyer, Heinz Hoenig, 97’
 Nach seinem völlig misslungenen Politklamauk Drei gegen Drei (1985) mit den damals  äußert populären Mitgliedern der Band Trio in den Hauptrollen, drehte Dominik Graf Ende der 1980er Jahre zwei weitere  Komödien, die sich nun allerdings an den leichten und verquatschten  französischen Beziehungsdramen orientierten, welche der Regisseur am Anfang  seiner Karriere so bewundert hatte: Tiger,  Löwe, Panther und Spieler (1990).  Ersterer ist sicherlich der gelungenere der beiden: „Wohl kaum ein Film der  letzten Zeit hat die Wirklichkeit unseres Landes und die der jüngeren  Generation so exakt und so unaufwendig eingefangen“, urteilte Volker Baer im Tagesspiegel und Heike Kühn sprach in  der Frankfurter Rundschau (4.11.1989)  von einem „beglückend undeutsche[n]  Film“, der „an die Atmosphäre von zauberischer Banalität und banale[m]  Zauber“ rühre wie sonst nur die Filme von Eric Rohmer. Das Drehbuch stammte von  Grafs damaliger Partnerin Sherry Horman, die denn auch drei Frauenfiguren – Tiger,  Löwe und Panther – in den Mittelpunkt ihrer Erzählung rückte: Sabine Kaack  kannte Graf bereits von Die Katze, wo  sie eine Nebenrolle gespielt hatte; mit Martina Gedeck – damals noch am Anfang  ihrer Karriere – hatte er kurz zuvor die kleine Fingerübung Die Beute (1988) gedreht; die dritte im  Bunde, Natja Brunckhorst, ist bis heute am ehesten wegen ihrer ersten Rolle  überhaupt im Gedächtnis geblieben: als Christiane F. im gleichnamigen Film von  Uli Edel (1981). (cw)  am 15.9.2012 um 19.00  Uhr   DOMINIK GRAF Hotte im ParadiesD 2002, R: Dominik  Graf, B: Rolf Basedow, K: Hanno Lentz, D: Mišel Matičević, Birge Schade,  Nadeshda Brennicke, Mark Zak, 118’
 Es ist die Paraderolle für Mišel  Matičević: Der an der HFF „Konrad Wolf“ ausgebildete Schauspieler, bei Graf  oftmals und zuletzt in seinem Dreileben-Beitrag Komm‘ mir nicht nach (2011) zu sehen, brilliert als kleiner Lude,  der es mit allen Mitteln darauf anlegt, zu einem großen in seiner Branche zu  werden, ohne dabei seine weibliche, sensible, mitfühlende Seite völlig  ausschalten zu können. Diese gleichzeitig liebevolle, komische und dramatische  Milieustudie – gedreht rund um das Rotlichtmilieu am Stuttgarter Platz – wirkt  besonders aufschlussreich neben Grafs Großbürgertumsmelodramen wie Deine besten Jahre, die von äußerlich  intakten, aber innerlich kaputten Familien handeln. Wenn Hotte seine drei  Mädels nach einer arbeitsreichen Nacht zu einer idyllischen Bootsfahrt bittet,  hat man fast den Eindruck, es verhalte sich hier gerade anders herum. Der  Eindruck eines Familienromans bestätigt sich auch, wenn man den Film mit den  anderen von Rolf Basedow geschriebenen Unterweltsstudien in Grafs Œuvre  vergleicht, denn nicht ein einziges Mal taucht in Hotte die Polizei auf. Es gibt kein Außen, nur ein Innen. Den  Gremien und Verleihern war das wohl alles zu heikel, denn der wie Die Freunde der Freunde ebenfalls mit  zwei Kameras auf digital video gedrehte Film bekam keinerlei Förderung und kam als Konsequenz auch nicht in  die Kinos, obwohl er 2002 auf den Hofer Filmtagen „als einer der besten  deutschen Filme des Jahres gelobt“ worden war (Hans-Georg Rodek, Die Welt, 16.9.2004). (cw) am 15.9.2012 um 21.00 Uhr    DOMINIK GRAF Das Wispern im Berg  der Dinge (Sendereihe: Denk ich an Deutschland) D 1997, R: Dominik  Graf,Michael Althen, D: Dominik Graf, Robert Graf, 59’,  DigiBeta
 Zusammen mit Michael Althen, dem ehemaligen Redakteur der Süddeutschen und der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, der  2011 verstorben ist, hat Dominik Graf zwei Filme gemacht: München – Geheimnisse einer Stadt (2000) sowie Das Wispern im Berg der Dinge, der 1999 mit dem Grimme-Preis  ausgezeichnet worden ist. Während ersterer Film ein vielschichtiges Porträt der  Heimatstadt der beiden ist, handelt es sich bei letzterem um eine Hommage an Grafs  Vater Robert, der in der Nachkriegszeit zu den besten modernen Schauspielern in  Deutschland zählte, und zwar sowohl auf der Theaterbühne als auch in Film und  Fernsehen, der aber 1966 mit nur 42 Jahren an den Spätfolgen einer  Kriegsverletzung starb. Unvergesslich beispielsweise seine Darstellung des  Bruno Tiches in Kurt Hoffmanns Wir  Wunderkinder (1958) oder sein Auftritt als gleichnamige Hauptfigur in dem  experimentellen, ohne direkten Dialog operierenden Film Jonas (1957, Ottomar Domnick). Es war Althen, der Graf diesen Film  seines Vaters nähergebracht hat; in Das  Wispern... wird er sowohl am Anfang als auch am Ende zitiert und erfüllt  daher die Funktion eines Rahmens. Zu Beginn sehen wir Dominik Graf, wie er eine  Szene, in der sich sein Vater als Jonas vor einem Spiegel rasiert, identisch  nachstellt. Später im Film betont er, dass es ein Knackpunkt für ihn gewesen  sei, als er ein Alter erreicht hatte (44 zur Drehzeit), das ihn älter machte  als sein Vater jemals gewesen war. Das  Wispern... ist ein anrührender Versuch des väterlichen Blicks auf den  Vater, aber auch eine Stiluntersuchung deutscher Nachkriegsschauspielkunst. (cw) am 16.9.2012 um 17.00 Uhr    DOMINIK GRAF Der Rote KakaduD 2006, R: Dominik  Graf, B: Karin Ǻström, Michael Klier, Günter  Schütter, K: Benedict Neuenfels, D: Max Riemelt, Jessica Schwarz, Ronald  Zehrfeld, Devid Striesow, Kathrin Angerer, 128’  35 mm
 Grafs bislang letzter Kinofilm, der – wie Der Felsen – auf der Berlinale  uraufgeführt worden ist, war auch sein „erster Kostümfilm“ (Christiane Peitz,Der Tagesspiegel, 14.2.2006). In der  weiblichen Hauptrolle besetzte er – wie in Kalter  Frühling – Jessica Schwarz (Luise). Außer ihr kommen „alle Darsteller aus  dem Osten. Das war mir wichtig, weil ich das Gefühl hatte, die nehmen das noch  mit in den Film, auch wenn sie selber die DDR kaum erlebt haben“ (Graf zit.  nach Rüdiger Suchsland, Berliner Zeitung, 16.2.2006). Der Rote Kakadu erzählt  eine in Dresden angesiedelte kleine Geschichte jugendlicher Gegenkultur in den  Wochen vor dem Bau der Mauer, ohne dass es Graf um eine historisch einwandfreie  Rekonstruktion ginge. Vielmehr steht eine Ménage-à-trois à la Jules et Jim (1962, François Truffaut)  im Zentrum, bei der das Dioskuren-Paar Ronald Zehrfeld (Wolle) und Max Riemelt  (Siggi), das später in Im Angesicht des  Verbrechens (2010) zu großer Form auflaufen sollte, die männlichen Parts  übernimmt. Der „Rote Kakadu“ ist die Tanzbar, in der sich nicht nur die  freigeistige Szene vergnügt, sondern auch die offizielle DDR, die die Alternativen  nach und nach erfolgreich infiltriert. Doch trotz aller gesellschaftlicher und  politischer Ereignisse und Fragestellungen müssen sich die jungen Leute natürlich  auch mit ihren Gefühlen auseinandersetzen. Am Ende bleiben Wolle und Luise im  Osten, Siggi dagegen macht rüber, bevor die Grenze dicht ist. Seine letzten  Worte sind: „In meinem Kopf lebt Luise als der Inbegriff eines Ideals, und sie  wird niemals alt.“ Luise könnte hier selbstverständlich auch für die  sozialistische Utopie stehen, die der Mauerbau in gewisse Weise beendet hat. (cw)  am 16.9.2012 um 18.30  Uhr   DOMINIK GRAF Cassandras Warnung (Sendereihe:  Polizeiruf 110)D 2011, R: Dominik  Graf, B: Günter Schütter, K: Hanno Lentz, D: Matthias Brandt, Ronald Zehrfeld,  Philipp Moog, Alma Leiberg, Anna Maria Sturm, Tobias van Dieken, 89’
 Inzwischen hat sich Dominik Graf eine Souveränität zugelegt,  mit der er nach Der scharlachrote Engel (2004)  und Er sollte tot ... (2006) einen Polizeiruf drehen konnte, der trotz  einer ziemlich verschachtelten Geschichte „einen Marktanteil von 25,4 Prozent“  erreichte und damit „die meistgesehene Sendung am Sonntagabend um 20.15 Uhr“  war, wie man in der Süddeutschen Zeitung vom 23.8.2011 lesen konnte. Der neue Kommissar Hans von Meuffels (Matthias  Brandt), der in dieser Folge erstmals statt seines Vorgängers Jürgen Tauber  (Edgar Selge) ermittelt, sieht sich einem Mordfall gegenüber, in den sein  eigener Kollege, der Polizist Gerry Vogt (Ronald Zehrfeld), auf eine schwer zu  durchschauende Weise verstrickt ist. Das in der Geschichte angelegte Spiel mit  Identitäten geht so weit, dass auch Zehrfeld, der neben Mišel Matičević absolute Lieblingsschauspieler Grafs der  letzten Jahre, letztendlich eine Revision seines gewohnten Leinwandimages  erfahren muss. Geschrieben wurde Cassandras  Warnung von Günter Schütter, einem der langjährigen Hausautoren von Dominik  Graf, der sich mit diesem einen Hang zur Cinephilie, zur Liebe für die Filmgeschichte  teilt. Aufmerksame und bewanderte Zuschauer können sich daher auch an einem  Subtext erfreuen, der aus Zitaten wie beispielsweise dem Sample von  Ennio Morricones unheimlichem Kinderchor aus dem Giallo Chi l’la vista morire? (1972, Aldo Lado) oder aus verbalen Verweisen  auf die Serie Star Trek (1966-1969,  Gene Roddenberry) sowie auf den Film Troy (2004, Wolfgang Petersen) besteht. (cw) am 16.9.2012 um 21.00 Uhr    DOMINIK GRAF Lawinen der  Erinnerung D 2012, R: Dominik  Graf, D: Oliver Storz, 89’ HD
 Im Februar 2012 präsentierte Dominik Graf auf der Berlinale  einen Film über den während der Dreharbeiten verstorbenen Fernsehregisseur und  Schriftsteller Oliver Storz, mit dem er wieder an die zusammen mit dem wenig  zuvor ebenfalls verstorbenen Michael Althen entwickelten essayistischen und  persönlichen, aus Archivmaterial, Spielszenen und Interviews bestehenden  Porträts (seines Vaters in Das Wispern im  Berg der Dinge, seiner Heimatstadt in München)  anknüpfte. Im Zentrum des Films stehen an zwei Terminen geführte Gespräche mit  Storz, die ihren Ausgang bei seinem grandios erzählten autobiografischen Roman Die Freibadclique von 2008 nehmen. Neben  Storz als Zeitzeuge und als (Drehbuch-)Autor interessiert sich Graf aber auch  für den Fernsehspielregisseur, der beispielsweise das Kammerspiel Im Schatten der Macht (2003) über die  Guillaume-Affäre gedreht hat. Den Darsteller des Guillaume, Matthias Brandt,  sieht und hört man in Lawinen der  Erinnerung auch aus dem Roman Als wir  Gangster waren lesen, den Storz wegen seiner Krankheit nicht mehr beenden  konnte. Inzwischen ist das Fragment – quasi als Vermächtnis – zusammen mit  einigen Erzählungen im Graf Verlag erschienen. Lawinen der Erinnerung, so Andreas Platthaus in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (18.2.2012),  „ist ein Bild- wie Klangkunstwerk, ein Lehrstück des respektvollen Porträts und  ein Musterbeispiel dafür, was eine Fernsehproduktion erreichen kann. Was vom  Fernsehen bleibt, werden Filme wie dieser sein.“ (cw)am 17.9.2012 um 20.00 Uhr |