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Oktober
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Hands on Fassbinder | 25 Jahre Deutsches Historisches Museum

 


  UNTER VORBEHALT

 

UNTER VORBEHALT

Die Vorführung mancher Filme, die während des „Dritten Reichs“ entstanden sind, ist nur unter Vorbehalt möglich. Diese sogenannten Vorbehaltsfilme dürfen zwar gezeigt, sie müssen aber eingeführt und mit dem Publikum diskutiert werden. Ihre Vorführung soll der Aufklärung über den Nationalsozialismus dienen. Zum Korpus der Vorbehaltsfilme gehören über 40 abendfüllende Produktionen. Darunter finden sich Spielfilme wie Jud Süß oder Hitlerjunge Quex – Filme, von denen immer wieder die Rede ist, wenngleich sie kaum jemand gesehen hat. Die meisten Vorbehaltsfilme sind jedoch vollkommen unbekannt. Die Reihe UNTER VORBEHALT, die in unregelmäßiger Folge alle Vorbehaltsfilme vorstellen und diskutieren wird, möchte unter anderem dazu beitragen, das Reden über das Kino des „Dritten Reichs“ von diesen blinden Flecken der Diskussion zu befreien. Dabei wird auch die Frage eine Rolle spielen, wie wir mit dem filmischen Erbe des Nationalsozialismus umgehen möchten – und wer dieses „wir“ ist. Das Programm im Oktober stellt zwei antisemitische Filme zur Diskussion.

 

UNTER VORBEHALT

Jud Süß
D 1940, R: Veit Harlan, D: Ferdinand Marian, Heinrich George, Hilde von Stolz, Werner Krauß, Eugen Klöpfer, Kristina Söderbaum, 97’       35 mm

Antisemitismus im Gewand eines Melodrams. Der von Reichspropagandaminister Joseph Goebbels in Auftrag gegebene Film schildert, historisch verfälschend, das Leben von Joseph Süß-Oppenheimer (1698-1738), Geheimer Finanzrat und Berater von Herzog Karl Alexander von Württemberg. Nach dem Tod seines Gönners wird Oppenheimer wegen angeblichem Hochverrat und Majestätsbeleidigung verhaftet und am 4. Februar 1738 in Stuttgart als Opfer eines Justizmordes gehenkt.
Die Darstellung des als „Jud Süß“ diffamierten Oppenheimer und anderer jüdischer Charaktere in Veit Harlans Film zielte darauf ab, ihre negativen Eigenschaften als angeblich „typisch“ für alle Juden herauszustellen. In der Deutschen Allgemeinen Zeitung vom 26. September 1940 kommentierte Gerhard Starke (nach dem Krieg u.a. Intendant des Deutschlandfunks und Chefredakteur der Welt): „Meisterhaft gelingt dem Film die Darstellung der gegenseitigen Ergänzung dieser Typen, ihrer Gemeinschaft, die noch ein besonders Zeichen hat: Unität der Gemeinheit.“ Sein Fazit verbindet die Propagandaabsicht des Films mit dem Ausblick auf eine neue Etappe der nationalsozialistischen Judenverfolgung: „Die Verkündung des Judenbanns durch die Württemberger Landstände, mit der der Film endet, ist Symbol: ein Alpdruck wurde genommen; ein Spuk verflog.“ Der Film wurde im „Dritten Reich“ in 600 Kopien verbreitet; SS und Polizei waren verpflichtet, sich den Film anzusehen. Jud Süß ist einer der raffiniertesten Propagandafilme des „Dritten Reichs“; in der Auseinandersetzung mit ihm, seinen Schöpfern und seiner Rezeption spiegelt sich auch unsere Aufarbeitung von Antisemitismus und Holocaust. (jg)

Einführung: Rainer Rother
am 18.10.2012 um 20.00 Uhr
am 23.10.2012 um 20.30 Uhr

 

UNTER VORBEHALT

Jud Süß – Film ohne Gewissen
D/A 2010, R: Oskar Roehler, D: Tobias Moretti, Martina Gedeck, Moritz Bleibtreu, Justus von Dohnányi, Armin Rohde, 120’    35 mm

In Zusammenhang mit dem antisemitischen Spielfilm Jud Süß von 1940 wird neben seinem Regisseur Veit Harlan immer auch die von dem österreichischen Schauspieler Ferdinand Marian gespielte Hauptrolle thematisiert. Seine Verkörperung des als „Jud Süß“ beschimpften Juden Joseph Süß-Oppenheimer, der 1738 in Stuttgart als Opfer eines Justizmordes hingerichtet wurde, wird ihm bis heute vorgehalten. Der Spielfilm Jud Süß – Film ohne Gewissen von Oskar Roehler konzentriert sich auf Marians Gewissenskonflikt: Soll er dem Druck des Propagandaministers Joseph Goebbels nachgeben und die einmalige Chance nutzen, in einem großen staatlicherseits geförderten Film die Starrolle zu übernehmen, auch auf die Gefahr hin, dass er, der bis dahin als Frauenliebling Karriere gemacht hatte, danach auf jüdische Rollen und Film-Bösewichter festgelegt sein könnte? „Jud Süß – Film ohne Gewissen ist ein ‚Human Drama’ und zugleich ein politischer Film, der die Mechanismen machtpolitischer Manipulation aufdeckt und ihre schrecklichen Folgen zeigt. Marian – erfolgsgetrieben und naiv – lässt sich auf ein Spiel ein, das viel zu groß für ihn ist und von dem er nicht ahnt, dass es ihm bald schon seine Lebensgrundlage nehmen wird. Viel zu spät begreift er, in was er hineingeraten ist – nämlich in ein Vehikel des Holocaust, das sein Gesicht trägt.“ (Oskar Roehler). Nach Kriegsende erhält Marian Berufsverbot; er stirbt am 9. August 1946 bei einem Autounfall. (jg)

am 19.10.2012 um 18.30 Uhr
am 21.10.2012 um 21.00 Uhr

 

UNTER VORBEHALT

Harlan – Im Schatten von „Jud Süß“
D 2008, R: Felix Moeller, 99’       Beta SP

Veit Harlan war einer der erfolgreichsten Regisseure des „Dritten Reichs“. Im November 1939 nimmt er vom Propagandaminister Joseph Goebbels den Auftrag an, den antisemitischen Spielfilm Jud Süß zu inszenieren. Der Dokumentarfilm von Felix Moeller interessiert sich aber weniger für Harlans Verhalten im „Dritten Reich“ und seine Motive, diesen Auftrag anzunehmen, als vielmehr dafür, wie sich die Familie heute zur Vergangenheit stellt. Söhne, Töchter und Enkel stellen sich ohne Ausnahme der Auseinandersetzung mit Harlan und seinem Film Jud Süß (1940) vor der Kamera und reflektieren seinen bis heute anhaltenden Einfluss auf ihr Leben. „Den Hetzfilm Jud Süß gemacht zu haben, wie auch immer die Umstände waren, ist ein einmaliger und, wie es scheint, unauslöschlicher Makel. Obwohl ich mich als Filmhistoriker damit etwas ab vom Wege befand, hat mich interessiert, wie lang dieser Schatten von Jud Süß heute noch ist. [...] Wie wirkt er heute? Und: Wie geht man mit einem solchen Erbe in der eigenen Familie um? Wie wurde und wird man damit konfrontiert? Je mehr ich mit der Familie ins Gespräch kam, desto facettenreicher wurde das Bild.“ (Felix Moeller). Mit zahlreichen Ausschnitten aus Harlans Filmen sowie Privataufnahmen entsteht in Form einer Familiengeschichte das Portrait eines umstrittenen Filmkünstlers. (jg)

am 20.10.2012 um 19.00 Uhr

 

UNTER VORBEHALT

Venus vor Gericht
D 1941, R: Hans H. Zerlett, D: Hansi Knoteck, Hannes Stelzer, Paul Dahlke, Siegfried Breuer, Charlott Daudert, 86’        35 mm

Antisemitischer Spielfilm, der auch gegen die Demokratie und die von den Nationalsozialisten als „entartet“ bekämpfte Kunstmoderne agitiert. Zusammen mit der „entarteten Kunst“ wird auch der angeblich „jüdisch infizierte Kunsthandel“ diffamiert. – Die Handlung spielt in der Weimarer Republik. Ein junger nationalsozialistischer Bildhauer kann sich mit seinen konventionellen Arbeiten am Kunstmarkt nicht durchsetzen. Er vergräbt eine im antiken Stil gefertigte Venusstatue in einem Acker und sorgt dafür, dass sie „entdeckt“ wird. Ein jüdischer Kunsthändler erklärt die Skulptur für echt und zertifiziert sie als antikes Meisterwerk. Daraufhin gibt sich der Bildhauer als ihr Schöpfer zu erkennen. Den Prozess droht er allerdings zu verlieren. Erst in letzter Minute erscheint eine Zeugin und bewirkt durch ihre Aussage den Freispruch. (jg)

Einführung: Heike Stange
am 24.10.2012 um 20.00 Uhr

 

 
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