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Im Juni 2023 jährt sich die Gründung des Literarischen Colloquiums Berlin (LCB) und damit auch das Projekt einer Filmabteilung im LCB zum 60. Mal. Literaturverfilmungen und die filmische Auseinandersetzung mit Textvorlagen standen dabei nicht im Vordergrund, vielmehr sollten die Möglichkeiten des Films mit Blick auf Narration, Bildgestaltung und Sprache ausgelotet werden. Wie könnte eine „optische Literatur“ gelingen? Walter Höllerer, Professor für Literaturwissenschaft an der Technischen Universität und Initiator des LCB, propagierte einen erweiterten Literaturbegriff, der die Verbindungen zwischen Literatur und Film miteinschloss. Aus Höllerers Sicht glichen sich „Zeitbewusstsein,Weltdarstellung und Weltperspektive“ der modernen Literatur und des modernen Films. Mit der Leitung der Filmabteilung wurde der Experimentalfilmemacher Wolfgang Ramsbott betraut.

Eine Ursache für die Gründung der Filmabteilung am LCB war die Krise des westdeutschen Films Anfang der 1960er Jahre. Teile der Filmwelt erwarteten, dass eine Erneuerung des deutschen Films von den Unterzeichnern des Oberhausener Manifests ausgehen würde. Stattdessen legte das LCB mit zwei Kurzfilmen los, die prompt 1965 in Oberhausen gefeiert wurden und sich als wegweisend erwiesen: In-Side-Out war das Filmdebüt des amerikanischen Beat-Poeten George Moorse, ein wild-buntes Pop-Gedicht, und Abends, wenn der Mond scheint … ein satirisches „Bilderbuch“ (Michael Töteberg) fast ohne Worte, gemeinsam realisiert vom Schriftsteller Peter Rühmkorf und dem Animationsfilmemacher Helmut Herbst.

Bis Mitte der 1990er Jahre entstanden am LCB ganz unterschiedliche Filme mit und ohne Literaturbezug; teils fürs Kino, teils fürs Fernsehen. Die Bandbreite reichte von Moorses zeitgeistig-visionärer Büchner-Verfilmung Lenz (1971) bis zum anarchistischen Berlinfilm Denkmalsforschung (1972) von Ramsbott und dem Schriftsteller Günter Bruno Fuchs; von der visuellen Extravaganz von Kuckucksjahre (1967) bis zur teilnehmenden Dokumentation Von wegen ‚Schicksal’ (1979) von Helga Reidemeister; von Helma Sanders-Brahms’ Welterfolg Deutschland bleiche Mutter (1980) bis zum selten gezeigten ‚Heimatfilm’ Niemanns Zeit (1985).

Das LCB produzierte Spiel- und Dokumentarfilme zu literarischen Themen, experimentelle und politische Arbeiten unterschiedlichster Form und Länge, teilweise in direkter Zusammenarbeit von Filmkünstlern und Literaten. Gezielt gefördert wurden ab Mitte der 1970er Jahre auch Arbeiten von Filmemacherinnen, ein Verdienst der Produktionsleiterin Ursula Ludwig.

Anlässlich des Jubiläums wurden zahlreiche Filme des LCB, die in der Deutschen Kinemathek archiviert sind, dort digital restauriert. Die neuen Kopien sind nun erstmals zu sehen in der von Frederik Lang kuratierten Filmreihe Optische Literatur. Die Filmabteilung des Literarischen Colloquiums Berlin, die Teil des in Kooperation mit dem Exzellenzcluster 2020 „Temporal Communities. Doing Literature in a Global Perspective“ entstandenen Jubiläumsfestivals Assemblage Berlin. 60 Jahre Literatur intermedial ist. Weitere Veranstaltungen finden im Bundesplatzkino und im LCB statt. In der Reihe Filmblatt-Schriften von CineGraph Babelsberg e. V. erscheint dazu die Begleitpublikation Optische Literatur. Die Filmabteilung des Literarischen Colloquiums Berlin.

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