
„Es gibt viele Arten, Grenzen zu durchbrechen. Es gibt viele Arten, neue Grenzen zu errichten. 1989 fällt die Berliner Mauer. Das Gelände zwischen den Mauern, ein leeres Minenfeld zwischen Ost und West, steht jetzt offen. [...] Jetzt kehrt die Mitte zurück.“ So beginnt der Film Die leere Mitte (1998). Die „leere Mitte“ bezieht sich auf die alte Stadtmitte von Berlin, die sich nun allmählich wieder ins Bewusstsein drängt. Diese Mitte – nach dem Mauerfall ein breiter Streifen Brachland – war jedoch nie leer. Zahlreiche Aspekte ihrer Geschichte sind vielmehr in Vergessenheit geraten oder wurden bewusst verdrängt und verleugnet, darunter die weit zurückreichenden Vorurteile gegenüber Juden und People of Colour, die Abwehr ausländischer Arbeitskräfte und die Leugnung der Verbrechen der Wehrmacht.
In ihrer Langzeitbeobachtung manövriert sich die Regisseurin Hito Steyerl als Zeitpilotin durch die Geschichte deutschen Großmachtstrebens und Kolonialismus. Sie legt verschüttete Erinnerungsschichten frei, findet alte Grenzen und Ausgrenzungen. Leider scheint es so, als ob einmal durchbrochene Grenzen an anderen Stellen neue entstehen lassen. Nur die Bewohner*innen eines alternativen Zeltdorfes auf dem ehemaligen Mauerstreifen hegen Visionen einer anderen Welt. (jg)
Die leere Mitte
- D 1998
- Digital HD
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R: Hito Steyerl, K: Boris Schafgans, Meike Birck, Hito Steyerl, 62‘