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Er war kein Mann für die Langstrecke. Wie ein Wirbelwind kam Preston Sturges über das amerikanische Kino. Ein paar Jahre lang lag das Publikum ihm und seinen Hochgeschwindigkeits-Farcen zu Füßen, bevor er, ebenso schnell wie er gekommen war, wieder aus dem Scheinwerferlicht verschwand. Unter den Großen des Hollywoodkinos der klassischen Ära war er das exzentrische Wunderkind, einer, der der Konkurrenz immer schon zwei, drei Schritte voraus war.

Dabei war sein Weg ins Filmgeschäft gar nicht so ungewöhnlich. Als Sohn einer in Bohème-Kreisen verkehrenden Sängerin zwischen New York und Frankreich aufgewachsen, fand Sturges nach zahlreichen Gelegenheitsjobs übers Theater zum Kino und machte sich in den 1930er Jahren, als Hollywood nach der Einführung des Tonfilms nach talentierten Dialogschreibern gierte, als Drehbuchautor einen Namen – und blieb doch ein kleines Rädchen im großen Getriebe. Die strikte Arbeitsteilung in den Hollywoodstudios der damaligen Zeit war Sturges von Anfang an ein Dorn im Auge. Die spritzigen Dialoge, die er aufs Papier brachte, wurden von anderen Autoren nachträglich verwässert oder verschwanden auf Nimmerwiedersehen in den Schubladen der Studiobosse, und wenn sie doch einmal bis Drehstart überlebten, wurden ihnen, fand zumindest Sturges, von übervorsichtigen, uninspirierten Regiehandwerkern die Zähne gezogen.

1939 schließlich gelang Preston Sturges etwas, was im Studiokino seiner Zeit nicht vorgesehen war: Er verkaufte sein neuestes Drehbuch für nur 10 Dollar an Paramount – unter der Bedingung, dass er selbst Regie führen dürfe. Das Regiedebüt, The Great McGinty, fand an den Kinokassen Zuspruch, Sturges gewann für sein Discount-Drehbuch den Oscar und hatte ein paar kostbare Jahre lang freie Bahn. Anders als der fast zeitgleich Hollywood aufmischende Orson Welles war Sturges kein Kinorevolutionär; sondern eher ein furchtloser Eklektizist, der sich die lebendigsten Traditionen der US-amerikanischen Filmgeschichte herausgriff und aus ihnen etwas Neues, Eigenes formte. Freidrehende Slapstick-Kinetik verbindet sich in seinen Filmen mit Screwball-Wortwitz, satirische Schärfe insbesondere in Bezug auf die fragilen Versprechungen des Kapitalismus nach einer halbwegs überstandenen Weltwirtschaftskrise mit einem wohlwollenden, humanistischen Blick auf menschliche Unvollkommenheit.

Acht Filme drehte Sturges zwischen 1940 und 1944 für Paramount, allesamt – in der damaligen Zeit eine absolute Ausnahme – nach eigenem Drehbuch; eine ganze Reihe davon zählen heute zu Klassikern der Hollywoodkomödie, die meisten waren große Publikumserfolge. Sturges allerdings sehnte sich nach noch mehr Unabhängigkeit – und tat sich ausgerechnet mit Howard Hughes zusammen, einem anderen berüchtigten Exzentriker der Studio-Ära. Die Kollaboration stand, wie fast alle Versuche Sturges, in der Nachkriegszeit an vorherige Erfolge anzuknüpfen, unter keinem guten Stern. Hollywood hatte Sturges wieder ausgespuckt – vielleicht schlicht, weil es nicht mit ihm Schritt halten konnte. „Nichts gibt mehr Aufschluss über den traurigen Zustand des gegenwärtigen Hollywoodkinos, als seine Unfähigkeit, Sturges mit derselben atemberaubenden Geschwindigkeit wie früher weiterarbeiten zu lassen“, schrieb der Kritiker Manny Farber 1954. (Lukas Foerster)

Lukas Foerster ist Autor und Kurator. Er arbeitet unter anderem im Programmteam des Filmhaus Nürnberg.