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Dieses und das vergangene Jahrhundert haben sich weltweit insbesondere Feministinnen wahrscheinlich anders vorgestellt – zumindest haben sie eine andere Welt gefordert. Für die Regisseurin, Autorin und Produzentin Claudia von Alemann ist die Idee einer gerechte(re)n Welt nicht nur ein Wunschtraum, auch wenn viele ihrer Filme mit dem Traumhaft-Unbewussten spielen. Die Gesellschaftskritik ihrer Filme lässt sich, abgesehen von den Sujets ihrer Werke, vor allem auch daran erkennen, wie sie sich von konventioneller Filmsprache ab- und dem Prozess des (filmischen) Erinnerns zuwenden. Ihr inspirierendes Œuvre umfasst experimentelle und dokumentarische Arbeiten sowie Spielfilme. In komplexen filmischen Collagen, in denen sie Musik, Ton, bildende Kunst und Fotografien miteinander in Beziehung setzt, beleuchtet sie die blinden Flecken der Geschichtsschreibung.

Geboren 1943 in Thüringen und aufgewachsen im Rheinland, geht Claudia von Alemann 1963 zunächst nach West-Berlin, um an der Freien Universität Kunstgeschichte und Soziologie zu studieren. Von 1964 bis 1968 studiert sie an der Hochschule für Gestaltung Ulm in der Abteilung für Filmgestaltung bei Alexander Kluge und Edgar Reitz. Bereits ihre ersten Kurzfilme beweisen Alemanns Affinität zum Surrealen und Märchenhaften, zu Slapstick und Pantomime. Später dominieren politische Themen. Aus einem ursprünglich nur für wenige Tage geplanten Aufenthalt in Paris während der Mai-Unruhen 1968 wird ein ganzes Jahr. Zurück in Deutschland schließt sich Claudia von Alemann der autonomen Frauenbewegung an und widmet sich in ihrem Schaffen fortan vor allem der Suche nach feministischen Geschichten und der politischen Aufklärungsarbeit. Mit Helke Sander initiiert, organisiert und programmiert sie 1973 in West-Berlin im Kino Arsenal das „1. Internationale Frauen-Film-Seminar“: Es gilt als eines der ersten Festivals mit Filmen von und über Frauen der Welt. Von 1974 bis 1980 lebt und arbeitet Claudia von Alemann erneut in Paris.

Der Titel der von Fiona Berg und Arisa Purkpong kuratierten Werkschau zitiert das von Claudia von Alemann gemeinsam mit Dominique Jallamion und Bettina Schäfer herausgegebene Buch Das nächste Jahrhundert wird uns gehören. Frauen und Utopie 1830–1840. Es vereint Texte aus der ersten französischen, allein von Frauen geschriebenen, gedruckten und vertriebenen Zeitung La femme libre von 1832, die von den Herausgeberinnen nach aufwendiger Recherche übersetzt und 1981 veröffentlicht wurden. Aus den Recherchen dafür gingen zwei Filmarbeiten hervor, die diese Werkschau rahmen: der gleichnamige historische Spielfilm sowie Die Reise nach Lyon. Der Fokus der Reihe liegt auf der Suche nach einer feministischen Geschichte und der autobiografischen Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte. Neben den Filmen von Claudia von Alemann sind Werke von Filmemacherinnen zu sehen, die sie beeinflusst haben und denen sie nahesteht.

Die Werkschau Das nächste Jahrhundert wird uns gehören. Claudia von Alemann und ihre Filme ist eine Kooperationsveranstaltung mit dem Bundesplatzkino, dem Klick!Kino und der Deutschen Kinemathek anlässlich des 80. Geburtstags von Claudia von Alemann am 23. März 2023.

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