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Die Retrospektive Glut der Erinnerung gibt einen Einblick in die filmische Zusammenarbeit der 1964 gegründeten palästinensischen Befreiungsorganisation PLO mit beiden deutschen Staaten. In ihrer Hochzeit, den 1970er und 1980er Jahren, war die nationale Befreiungsorganisation eine internationalistische Bewegung. Zahlreiche Ausländerinnen und Ausländer haben sich in ihr engagiert, viele mit ihr kooperiert.

Für die Informationspolitik der PLO, die Schaffung einer Gegenöffentlichkeit im Zeitalter der Etablierung des Fernsehens als Massenmedium, spielten dokumentarische Filme eine bedeutende Rolle. Mit ihnen sollte die Weltöffentlichkeit von der Lebensrealität der palästinensischen Flüchtlinge erfahren und die PLO (Bild‑)Hoheit über das Narrativ palästinensischer Politik und Geschichte erlangen. Von den späten 1960er Jahren bis zu ihrem Abzug aus Beirut 1982 lud die Befreiungsorganisation immer wieder ausländische Filmschaffende ein, um das Leben der Palästinenserinnen und Palästinenser in den Flüchtlingslagern zu dokumentieren. Ihre Erzählweise machte dem Publikum in den jeweiligen Herkunftsländern das Anliegen des palästinensischen Kampfes leichter zugänglich. In Israel und den von ihm besetzten Gebieten konnten ausschließlich verbündete Filmschaffende drehen. Die Befreiungsorganisation war in Israel bis 1993 verboten und daher die Einreise für Filmteams der PLO nicht möglich.

Die Dokumente der Erinnerung an den palästinensischen Befreiungskampf finden sich nach wie vor dort, wo die PLO in der Fremde wirkte. Dies erklärt sich durch die Entwaffnung und Transformation der PLO Anfang der 1990er Jahre, das Ende ihres Exils, den seit über zwanzig Jahren andauernden Interimsstatus der mit limitierten Rechten ausgestatteten Autonomiebehörde und die Abwesenheit eines eigenen Staates. Koproduzierte Filme lagern unter anderem deshalb im Ausland, weil gemeinschaftlich produzierte Werke anteilig allen beteiligten Produktionspartnern gehören.

Die Internationale Leipziger Dokumentar- und Kurzfilmwoche für Film und Fernsehen (heute DOK Leipzig) und ihr Archiv spielen für das Filmerbe der PLO eine herausragende Rolle. In Leipzig wurden zahlreiche ihrer (Ko-)Produktionen uraufgeführt, hier vergab die PLO eine eigene Ehrung, den Hani-Jawhariya-Ehrenpreis der PLO für den besten Film über ein Okkupationsregime, hier begegnete man den Koryphäen des dokumentarischen Films und bekam Inspiration, Kontakte und Zuversicht. Die meisten Werke dieses Programms wurden in Leipzig präsentiert und prämiert. Manche Kopien lagert die PLO bis zur Befriedung Palästinas als Depositum in Berlin.

Die von Irit Neidhardt kuratierte Retrospektive Glut der Erinnerung bietet die seltene Gelegenheit einen repräsentativen Teil dieses Filmerbes, das auf palästinensischer Seite zahlreichen Mystifizierungen unterliegt und in Deutschland weitgehend vergessen ist, gemeinsam mit den Regisseurinnen und Regisseuren zu sehen und zu kontextualisieren.

Glut der Erinnerung beinhaltet einen Teil Berliner Stadtgeschichte und wirft die Frage auf, wie sich der Blick auf deutsche Filmgeschichte verändert, wenn ihr internationalistischer Teil miterzählt wird. Ebenso was es für die Einwanderungsgesellschaft bedeutet, dass ihre interkulturelle Historie bisher weitgehend untradiert bleibt.

Nach den Vorführungen stehen die Regisseurinnen und Regisseure für Publikumsgespräche zur Verfügung (nicht jedoch bei Wiederholungen). Die meisten Filme liegen in deutscher Sprache, ohne Untertitel vor. Bis auf wenige Ausnahmen finden die Publikumsgespräche ebenfalls auf Deutsch statt.

Die vom Hauptstadtkulturfonds geförderte Retrospektive wird unterstützt von der DEFA-Stiftung, dem Goethe-Institut, DOK Leipzig und dem ALFILM Festival.

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