Verführerische Melancholie
Die Filme von Willi Forst

„Mit keinem Zentimeter Zelluloid” habe Willi Forst, ein „Charmeur ohne Anflug von Unterwürfigkeit”, den Faschismus verlängert, schrieb Karsten Witte in seinem Nachruf auf den Wiener Regisseur und Schauspieler. Gar so gnädig blicken nicht alle Filmhistoriker*innen auf das Leben und Werk Forsts, der zwar seinen Durchbruch in den frühen 1930er Jahren – zunächst als Schauspieler – maßgeblich der Zusammenarbeit mit jüdischen Kolleg*innen verdankte, der aber anders als diese nach 1933 problemlos für den deutschen Markt weiterarbeiten konnte. In der Zeit des Nationalsozialismus erzielte Forst große Publikumserfolge, zeitweise saß er sogar im Aufsichtsrat der sicherlich „systemrelevanten” Tobis AG.
Zweifellos jedoch gehört Forst zu den wenigen Filmkünstler*innen, denen es gelungen ist, im deutschen Kino der 1930er und 1940er Jahre eine künstlerisch eigenständige Position zu entwickeln, die Unabhängigkeit bewahrt gegenüber den ideologischen Vorgaben der nationalsozialistischen Kulturpolitik. Und zwar: ästhetische Unabhängigkeit. Forsts Kino ist ein Kino der Form, nicht des Inhalts, der Oberfläche, nicht der Tiefe. Ein Kino, das sich den „leichten Genres” – der Operette, der Komödie, dem sentimentalen Drama – verschreibt und von einem Grundton der sanften Melancholie durchwirkt ist. „Wir spüren die Schwermut, das Nostalgie-Gefühl hinter der Frivolität, dem Glanz, dem flotten Tempo, mit denen Forst seine (Traum-)Welt mit liebevoller Sorgfalt einhüllt, als versuche er diese vor der Gefahr zu schützen, mit der täglichen Welt in Berührung zu kommen und zu verfliegen." (Francesco Bono)
Forsts Filmkarriere beginnt zwar im Stummfilm, aber erst mit dem Tonfilm kommt sein Kino ganz zu sich. Forsts Regiearbeiten sind durchdrungen von einer tiefen, beinahe obsessiven Liebe zur Musik. Nie nur bloße atmosphärische Untermalung, prägt Musik alle Facetten seiner Filme – sei es Handlung, Mise-en-Scène oder Montage. In einem Forst-Film kann eine Melodie zum Glück führen, wie in Maskerade, oder ins Verderben, wie in Mazurka. Tatsächlich war das Kino für Forst in erster Linie eine musikalische Kunstform, und eben diese Musikalität könnte einer der Gründe dafür gewesen sein, warum er den Fängen der NS-Zensur entgehen konnte: Anders als diese wusste er, dass die Kräfte des Kinos nicht immer im Bereich des Sichtbaren zu finden sind.
Zu entdecken ist, mit anderen Worten, das Œuvre eines der großen Antirealisten des deutschsprachigen Kinos. Über drei Jahrzehnte erstreckt sich dieses Werk, das gleich zwei Nationalkinematografien, die österreichische und die deutsche, maßgeblich geprägt hat. Einst dauerpräsent im nachmittäglichen Fernsehprogramm, sind seine Filme inzwischen weitgehend in Vergessenheit geraten – oder werden auf Klischeebilder von Wienerischer Walzerseligkeit und Forst als dem ewigen Bel Ami reduziert. Das Zeughauskino präsentiert Forsts filmisches Schaffen in seiner gesamten Breite und zeigt neben einer Auswahl seiner Regiearbeiten aus allen Schaffensphasen auch Beispiele seiner Arbeit als Schauspieler für andere Regisseure sowie Filme, bei denen er als Produzent fungierte. (Lukas Foerster)
Lukas Foerster ist Autor und Kurator. Er arbeitet unter anderem im Programmteam des Filmhauses Nürnberg. Unsere gemeinsam kuratierte Willi-Forst-Werkschau entstand auf seine Anregung hin.