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Richard Wagner (1813-1883) hätte das Medium Kino geliebt, das Kino im Sinne eines „Gesamtkunstwerks“, mit all seinen Farbexplosionen, Ausstattungsexzessen, Klangcollagen und monumentalen Breitwandbildern, auch wenn Wagners Kunstverständnis oftmals antimoderne Züge aufweist. Doch war der Kinematograph zu Wagners Lebzeiten noch nicht erfunden, Filmaufnahmen von ihm existieren ebenso wenig wie von zeitgenössischen Aufführungen seiner Werke. Umso ausgiebiger haben sich dafür Filmschaffende an Person, Werk und Mythos abgearbeitet; und an dessen Schattenseiten.

Dokumentarfilme begleiten den beinahe religiösen Trubel bei den Festspielen auf dem grünen Hügel, halten die weltweite Ekstase von Wagnerianer*innen beim Erklingen der Musik ihres Meisters fest, werfen aber ebenso Fragen zu Antisemitismus und Nationalismus auf. Denn Person und Werk Richard Wagners sind tief verwurzelt im Zeitgeist des 19. Jahrhunderts und vor dem Hintergrund der Reichsgründung 1871 fragte auch Wagner nach dem Deutschsein, nach der Zugehörigkeit zur Nation; sein Antisemitismus ist hinlänglich belegt und immer wieder wird die Frage diskutiert, ob man Wagners Musik noch ungetrübt genießen könne oder dürfe, auch wenn man um Wagners Instrumentalisierung durch das NS-Regime weiß?

Jenseits des Politischen sind es auch die Themen und Kompositionen Wagners, die Filmschaffende inspiriert haben, vom klassischen Erzählkino bis zu den Neuen Wellen der 1960er Jahre. Leidenschaft ist für Wagner ein zentrales Prinzip: Es wird geliebt und gehasst, gestorben und erlöst – wie im Kino. Wagner führt Eros und Thanatos im geradezu sprichwörtlich gewordenen Motiv des Liebestods von Tristan und Isolde zusammen, dem Kulminationspunkt des Leidens an der Liebe; und auch der fliegende Holländer wird erst durch die bis zum Todesopfer bereite Liebe von seinem Fluch erlöst. Beide Motive wurden von Wagner in ikonische Kompositionen verwandelt, auf die der fiktionale Film, ob in Hollywood oder bei der DEFA, immer wieder zurückgreift. Und auch ein für die Kinomoderne zentrales Thema wie Entfremdung – das Uneins-Sein mit den bestehenden sozialen, politischen, ökonomischen und künstlerischen Verhältnissen – kennzeichnet bereits Wagners Künstlerfiguren, die an sich und ihrer Zeit ebenso kranken, wie viele Figuren im europäischen Kino der 1960er und 1970er Jahre.

Die Filmreihe Gesamtkunstwerk und Liebestod. Richard Wagner und das Kino begleitet die Ausstellung Richard Wagner und das deutsche Gefühl, die am 8. April 2022 im Deutschen Historischen Museum eröffnet wird. (mbh)

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