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Hou Hsiao-hsien wurde im Jahr 1947 in der südchinesischen Guangdong-Provinz geboren. Schon als er ein Jahr alt ist, flieht er mit seiner Familie vor den Schrecken des Bürgerkriegs nach Taiwan, wo ein Jahr später von der regierenden Kuomintang-Partei das Kriegsrecht ausgerufen wird. Die Ereignisse jener Jahre, in denen unzählige Menschen im Krieg fielen oder von Geheimdiensten beseitigt wurden, prägen Taiwan in vielerlei Hinsicht bis heute; und ebenso das Kino Hou Hsiao-hsiens, des größten taiwanesischen Regisseurs.

In Europa ist Hou vor allem durch seine 1989 mit A City of Sadness begonnene historische Trilogie bekannt geworden, die als eine Art filmische Traumaaufarbeitung verstanden werden kann: Der Regisseur interessiert sich gerade nicht für die bloße Ereignisgeschichte, sondern für die Narben, die die Vergangenheit im kollektiven Gedächtnis, aber auch in individuellen Biografien hinterlassen hat. Wo sich andere Historienfilme zu allwissenden Richtern über die Geschichte aufspielen, wird bei Hou der Akt des Erinnerns selbst prekär.

Freilich repräsentiert die historische Trilogie nur einen kleinen Teil dieses einmaligen Werks. Hou hatte seine Karriere bereits 1980 begonnen, zunächst noch inmitten der taiwanesischen Filmindustrie. 1983 folgte der Bruch mit den Studios. Gemeinsam mit einer Gruppe befreundeter Filmemacher begründete er das Neue Taiwanesische Kino, das in den Folgejahren persönlichere, experimentellere Formen des Filmschaffens erkundete. Bevor er sich den historischen Stoffen zuwandte, drehte Hou eine Serie von Filmen, die von eigenen Jugenderlebnissen inspiriert waren und in denen er Schritt für Schritt jene lyrische, antidramatische filmische Form etablierte, die sein Schaffen bis heute prägt.

Die Filme, die Hou ab Mitte der 1990er Jahre verwirklichte, lassen sich nicht mehr thematisch oder stilistisch gruppieren; tatsächlich stellt jeder einzelne einen ganz eigenen ästhetischen Entwurf dar. Manche blicken auf die urbane Gegenwart Taipehs, andere auf chinesische Bordelle in der Frühphase des 20. Jahrhunderts. Zweimal unternimmt Hou Ausflüge über die taiwanesischen Landesgrenzen, nach Japan und Frankreich. Mit seinem neuesten Film The Assassin kehrt er schließlich zu seinen Anfängen im populären Genrekino zurück.

Die Filmreihe Also like Life – Die Filme von Hou Hsiao-hsien, die das Zeughauskino in Zusammenarbeit mit Richard I. Suchenski (Center for Moving Image Arts at Bard College) und der Deutschen Kinemathek organisiert, ermöglicht es erstmals in Berlin, dieses vielgestaltige Werk, das die „Zeichen der Geschichte“ (Rainer Rother) immer wieder neu anordnet, in seiner Gänze zu erkunden. Bis auf The Assassin werden alle Langfilme auf Zelluloidmaterial vorgeführt, zum Teil in eigens für diese Werkschau gezogenen Kopien.

Also like Life wurde in Zusammenarbeit mit der Deutschen Kinemathek - Museum für Film und Fernsehen, dem Taipei Culture Center, dem Taiwan Film Institute und dem Kulturministerium der Republik China (Taiwan) organisiert. Eine zur Retrospektive erschienene englischsprachige Monografie über Hou Hsiao-hsien ist zum Preis von 22 € an der Kinokasse erhältlich.

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