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Als Hauptstadt eines Landes, das im zwanzigsten Jahrhundert eine wichtige Rolle spielte, als Schauplatz globaler Krisen und Konflikte, ist Berlin seit langem auch für ausländische Filmproduktionen interessant. Viele der Arbeiten nicht-deutscher Produzenten, Regisseure und/oder Drehbuchautoren, die in Berlin spielen und oft auch hier gedreht wurden, sind in der Stadt jedoch nahezu unbekannt, und dies selbst unter Cinéasten und Filmhistorikern. Denn diese Filme waren hier lange nicht zu sehen und sind oft nur noch schwierig zu beschaffen.

Hundert Jahre nach der Entstehung Groß-Berlins bringt die Retrospektive Berlin international rund zwei Dutzend solcher Raritäten wieder auf die Leinwand: Ausländische Bilder von Berlin, entstanden zwischen 1924 und 1995, viele von ihnen seinerzeit weithin beachtet und erfolgreich, Werke renommierter Künstler.

Beispiele dafür, wie der Blick von Filmschaffenden aus den USA, aus Großbritannien, Frankreich, der Sowjetunion, Belgien, Italien, der Schweiz, der Türkei oder dem Iran, aber auch vor den Nazis geflüchteter Deutscher auf die Stadt in verschiedenen Dekaden aussah und wie er sich wandelte: Von Darstellungen des Elends kurz nach dem Ersten Weltkrieg (Isn’t Life Wonderful) über zahlreiche Filme, in denen es um den Nationalsozialismus, den Zweiten Weltkrieg (Padenije Berlina/Der Fall von Berlin, Fräulein/Fraulein) und den ihm folgenden Ost-West-Konflikt geht (Night People, Man on a String, Totò e Peppino divisi a Berlino), bis hin zu Geschichten, die von der türkischen Einwanderung erzählen (In der Fremde, Polizei, Berlin in Berlin, Almanya, acı vatan/Deutschland, bittere Heimat) oder vom Westteil der Stadt als einem Lebensraum für Nonkonformisten und Außenseiter (Jetzt und alles, In der Wüste).

Natürlich lässt sich in Berlin und in seinem Angesicht besonders gut über die Geschichte des zwanzigsten Jahrhunderts sinnieren (In der Dämmerstunde – Berlin/Berlin de l’aube à la nuit, Allemagne année 90 neuf zéro, Gorilla Bathes at Noon). Es gibt aber auch Überraschendes wie die Darstellung der nahen Zukunft mit Hilfe zeitgenössischer Berliner Neubauten (The Apple) oder Völkerverbindendes aus der Zeit zwischen den Weltkriegen (Hallo hallo! Hier spricht Berlin!/Allo Berlin? Ici Paris!). Und manchmal ist West-Berlin als Schauplatz vor allem deshalb reizvoll, weil man in diese halbe Stadt nicht so leicht und unkontrolliert hinein- und vor allem nicht aus ihr herauskommt wie in bzw. aus anderen Städten (Subway in The Sky, Chinese Boxes).

Den zeitlichen Endpunkt bildet eine Produktion, die weder den Nationalsozialismus noch die deutsche Teilung thematisiert (Flirt) – und damit zeigt, wie sich Berlins internationales Image weiterentwickelt hat: Die Stadt ist auch für ausländische Filmschaffende interessant als eine internationale Metropole neben anderen, ohne Bezugnahme auf die belastete und belastende Vergangenheit.

Die von Jan Gympel kuratierte Retrospektive wird gefördert vom Hauptstadtkulturfonds.

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