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Unter jenen deutschen Filmschaffenden, die in den Jahren vor dem Zweiten Weltkrieg in die USA auswanderten, nimmt Douglas Sirk eine Sonderstellung ein. Die meisten anderen prominenten deutschen Kinoexilanten hatten sich bereits zu Zeiten der Weimarer Republik einen Namen gemacht und waren entweder schon vor oder kurz nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten aus Deutschland ausgereist. Sirk dagegen begann seine Karriere im „Dritten Reich“ – unter seinem Geburtsnamen Detlef Sierck. Nachdem er sich in den 1920er Jahren erfolgreich als Bühnenregisseur bewährt hatte, unterschieb er 1934 einen Vertrag bei der Ufa. Schnell entwickelte er sich dort zu einem Spezialisten für leichtfüßige Musikkomödien, der Durchbruch zum Starregisseur gelang ihm mit einem Genre, das heute kaum von seinem Namen und seinem Werk zu trennen ist: dem Melodram.

Sirks Weg ins Exil begann 1938 und gestaltete sich zunächst als mühsam. Erst ab Mitte der 1940er Jahre konnte er wieder kontinuierlich arbeiten. Sirk bewährte sich zunächst für wechselnde Auftraggeber, ab 1951 exklusiv für Universal als ein routinierter Studioregisseur. Die größten Erfolge feierte er mit einer Serie abgründiger, stilisierter Melodramen. Schon die Titel sprechen Bände: Magnificent Obsession (1954), All That Heaven Allows (1955), Written on the Wind (1956). Den überlebensgroßen Gefühlen, die diese Filme darstellen und evozieren, entsprechen überlebensgroße Bilder. In den 1950er Jahren setzte Hollywood, von der Konkurrenz des Fernsehens herausgefordert, vermehrt auf raumgreifende Breitbildverfahren (Cinemascope) und prunkvoll schillernde Farbfotografie (Technicolor). Sirk gehört zu jenen Regisseuren, die die neuen, glamouröseren Bilder am effektivsten und eindringlichsten zu nutzen wussten.

Sirks heute berühmtesten Filme, seine Melodramen aus den 1950er Jahren, waren zwar große Publikumserfolge, die Kritik war ihnen jedoch zunächst wenig gewogen, nicht zuletzt aufgrund sexistischer Vorurteile: Sirk galt als ein Regisseur von „women’s pictures”, sein Kino stellte nicht den handelnden Mann, sondern die vermeintlich weniger relevanten privaten Leidensgeschichten von Frauenfiguren in den Mittelpunkt. Sirks Heldinnen, die regelmäßig von den größten weiblichen Stars ihrer Zeit – unter anderem Jane Wyman, Lana Turner, Lauren Bacall – verkörpert wurden, sind alkoholkrank (Written on the Wind), sie erblinden (Magnificent Obsession), werden Opfer von kleinbürgerlicher Intoleranz (All That Heaven Allows) oder von Rassismus (Imitation of Life). In den privaten Martyrien spiegeln sich jedoch auch die inneren Spannungen der amerikanischen Nachkriegsgesellschaft, zu deren vielleicht wichtigstem Chronisten Sirk avancierte.

Die Wertschätzung für Sirks Filme kam nachträglich, war dafür aber umso nachhaltiger. Seit den 1970er Jahren gibt es eine kontinuierliche Welle an Buch- und Essayveröffentlichungen. Unter anderem durch die Aufsätze der Filmtheoretikerin Laura Mulvey, die im Rahmen der Retrospektive Berlin besuchen wird, wurde Sirk nicht nur als ein begnadeter Stilist entdeckt, der die emotionale Isolation seiner Heldinnen in bedrückende Bildkompositionen einzuschreiben versteht; sondern auch als ein Meister der ironischen und selbstreflexiven Zwischentöne. Längst gehört Sirk zu jenen Regisseuren, die jede Generation von Filmliebhaberinnen und Filmliebhabern neu entdeckt und neu diskutiert. Nur im Kino sind die Filme erstaunlich selten zu sehen. Die Retrospektive im Zeughauskino ermöglicht es nun, alle Phasen dieser erstaunlichen Karriere kennen zu lernen.

Die Retrospektive All I Desire. Die Filme von Douglas Sirk, die vom Hauptstadtkulturfonds gefördert wird, umfasst 38 Regiearbeiten sowie drei weitere Filme, an denen Sirk in anderer Funktion mitgewirkt hat, fast durchweg präsentiert als 35mm-Filmkopien. Außerdem zeigen wir drei Arbeiten, die im Rahmen seiner Lehrtätigkeit an der Hochschule für Fernsehen und Film München entstanden sind sowie einen Dokumentarfilm über Sirks Schaffen.

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