"Man wird sich diesen Namen merken müssen, Müller"
Hommage an die Schauspielerin Renate Müller
„Man wird sich diesen Namen merken müssen, Müller“, lautet ein dem Theaterkritiker Alfred Kerr zugeschriebenes Bonmot, dass man auch mit einem Allerweltsnamen wie Renate Müller zum Theater- und Filmstar aufsteigen könne.
Am 26. April 1906 in München in eine bürgerliche Familie hineingeboren, besucht Renate Müller ab 1924 die Schauspielschule am Deutschen Theater in Berlin und startet anschließend eine Theaterkarriere. Fürs Kino entdeckt sie 1929 Lustspielkönig Reinhold Schünzel, der ein Mentor für sie wird; sieben weitere Filme folgen bis 1934.
Die Ufa verpflichtet Müller 1930 für die Emil Jannings-Großproduktion Liebling der Götter, in der sie eine aufopferungsvolle, treusorgende Ehefrau spielt. Sie startet damit bei der Ufa mit einem Frauentypus, der sich von ihren späteren Erfolgsfilmen deutlich unterscheidet und ebenso wie Müllers Rolle im nationalkonservativen Blockbuster Das Flötenkonzert von Sanssouci vor Augen führt, warum Funktionäre des Nationalsozialismus in ihr die Verkörperung eines Idealbilds sahen.
Zum Star wird Renate Müller mit Die Privatsekretärin (1931) und ihrer Paraderolle als moderne, emanzipierte junge Frau sowie patente und lebenslustige „Kameradin“. Im Laufe der Zeit perfektioniert sie dieses Frauenbild, von der Stenotypistin in Teure Heimat (1929) über die Tonmeisterin in Mädchen zum Heiraten (1932) und Marry Me (1932) bis hin zur Fahrlehrerin in Die englische Heirat (1934).
Wie die Protagonistinnen in Irmgard Keuns Romanen Gilgi (1931) und Das kunstseidene Mädchen (1932) verkörpert Müller jenes „Jungmädchen-Sehnen (…), das den Frauen ihrer Generation als attraktiv und fortschrittlich erschienen war.“ (Elisabeth Streit, Ob Viktor oder Viktoria, die Chemie stimmt. Die gemeinsamen Filme von Adolf Wohlbrück und Renate Müller, 2020) Zugleich wird sie zum „Wunschtraum hunderttausender heirats- und liebesbedürftiger Jünglinge“ (Der Film, 16.4.1932) und darf die größten Liebhaber des deutschen Kinos für sich einnehmen, darunter Willy Fritsch, Gustav Fröhlich und allen voran Adolf Wohlbrück, mit dem sie sich unvergessliche amouröse Wortgefechte liefert und dem sie auch privat freundschaftlich verbunden ist.
Jenseits der glamourösen Filmfassade gestaltet sich das Leben allerdings schwieriger, gesundheitliche Probleme setzen Renate Müller schon früh zu. Dreharbeiten müssen immer wieder verschoben oder abgebrochen werden. Lang ist die Liste der Filme, bei der sie umbesetzt werden muss, teils sogar während laufender Dreharbeiten, wie im Fall von Hans Steinhoffs Freut euch des Lebens (1934); die Ufa löst daraufhin den Vertrag auf.
1932 lernt Müller den jüdischen Bankierssohn Georg Deutsch kennen und lieben. Dessen Familie lehnt eine Liaison mit einem Filmstar allerdings ebenso ab, wie die nationalsozialistischen Machthaber Müllers Verhältnis mit Deutsch. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten ist Renate Müller mehrfach zu Gast beim Filmtee im Propagandaministerium oder bei privaten Soireen im Hause Goebbels; später versucht sie sich zu distanzieren. Den Kontakt zu dem mittlerweile im Exil lebenden Georg Deutsch hält sie noch einige Jahre aufrecht; eine mögliche Emigration unterbleibt allerdings, wenngleich der Druck der nationalsozialistischen (Film-)Institutionen wächst. Müllers letzte Filmarbeit wird schließlich ihre Mitwirkung im Propagandafilm Togger (1937) sein.
Im Oktober 1937 stürzt Renate Müller – wahrscheinlich alkoholisiert – aus einem Fenster ihrer Villa in Dahlem; einige Tage später, am 7. Oktober, stirbt sie im Alter von 31 Jahren im Krankenhaus. Nach ihrem Tod und vor allem in der Nachkriegszeit kursieren zahlreiche Gerüchte: Von Suizid und Gestapo-Mord, von massiver Drogensucht und schwerem Alkoholismus, ja sogar von amourösen Verwicklungen mit Hitler und Goebbels ist die Rede. Der Wahrheitsgehalt dieser Erzählungen lässt sich heute kaum ermitteln. Die Hommage Man wird sich diesen Namen merken müssen, Müller lädt stattdessen zur (Wieder-)Entdeckung einer besonderen Schauspielerin ein, über deren Auftritt im verschollenen Schünzel-Lustspiel Der kleine Seitensprung (1931) Der Kinematograph einst schrieb: „Sie wirkt elegant, fesch, liebenswürdig und strahlt (…) jene Anmut aus, die das Publikum zwingend für sie einnimmt.“ (22.8.1931)