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Das Deutsche Historische Museum hat den Themenbereich zur deutschen Kolonialgeschichte in seiner Dauerausstellung „Deutsche Geschichte vom Mittelalter bis zum Mauerfall“ umgestaltet. Die neue Ausstellungssequenz zeigt bei freiem Eintritt auf 100 Quadratmetern rund 150 Sammlungsobjekte, die zu einer kritischen Auseinandersetzung mit der Geschichte des deutschen Kolonialismus von den 1880er Jahren bis zum Ersten Weltkrieg und seiner materiellen Überlieferung anregen.

Mit Schwerpunkt auf den deutschen Kolonien in Afrika vermittelt die Präsentation eine von Gewalt geprägte Beziehungsgeschichte zwischen Kolonisatoren und einheimischen Gesellschaften. Sie zeigt die nachhaltigen Wirkungen deutscher Kolonialpolitik sowohl auf die Gesellschaften der Kolonialgebiete, als auch für das Kaiserreich und seine Metropolen. Bis heute fortgeschriebene Wahrnehmungen der Kolonien, ihrer Menschen und Kulturen haben sich in die Sammlungsobjekte eingeschrieben. Mit dem neuen Ausstellungsteil lädt das Museum dazu ein, diesen „kolonialen Blick“ kritisch zu hinterfragen: Exponate wie das Reisespiel „In den deutschen Kolonien“ von 1908 legen offen, wie sich gängige Vorstellungen von der Wildheit und Exotik der kolonialisierten Gesellschaften im Alltag fortsetzten.

In Themenbereichen zu Wirtschaft, Gesellschaft und Herrschaft werden Rassismus, Ausbeutung und Gewalt – bis hin zum Völkermord – als Grundlage kolonialer Herrschaft offengelegt. Eingewoben in die Erzählung entlang von Objekten, Dokumenten und Fotografien, die vorrangig die Perspektiven der deutschen Kolonisatoren widerspiegeln, sind Stimmen und Biografien afrikanischer Akteurinnen und Akteure der Kolonialzeit.

Anhand einer Auswahl afrikanischer Waffen aus dem Bestand des ehemaligen Museums für Deutsche Geschichte widmet sich die Ausstellungssequenz auch der Objekt- und Ausstellungsgeschichte von Sammlungsobjekten aus kolonialen Kontexten.

Raphael Gross, Präsident der Stiftung Deutsches Historisches Museum:
„Besonders wichtig erscheint mir, dass wir unsere Dauerausstellung nicht als statisch betrachten, sondern auf aktuelle Sichtweisen und Fragestellungen – etwa im Blick auf die Kolonialgeschichtsschreibung, die Holocaust-Forschung oder die visuelle Kultur – reagieren. Nachdem das DHM bereits 2016 mit der Ausstellung ,Deutscher Kolonialismus – Fragmente seiner Geschichte und Gegenwart’ und im vergangenen Jahr mit der Bekanntgabe der Übergabe der Säule von Cape Cross an Namibia der Diskussion über die deutsche Kolonialgeschichte und den Umgang mit kolonialen Objekten Impulse gab, ist es folgerichtig, auch die bisherige Präsentation der deutschen Kolonialgeschichte, die bereits 2006 entstanden ist, kritisch zu hinterfragen und diesen Teil der Dauerausstellung im Rahmen der jetzigen Möglichkeiten zu überarbeiten. Dies ist aber nur ein erster Schritt. Im Zuge einer Neukonzeption der gesamten Dauerausstellung werden wir die Darstellung dieses Themas grundlegend neu entwickeln.“

Fritz Backhaus, Sammlungsdirektor der Stiftung Deutsches Historisches Museum: „Wir sind sehr froh, nun in der Dauerausstellung einen Bereich präsentieren zu können, der sich anhand der jüngeren Forschung und mit Blick auf die intensive gegenwärtige Debatte der deutschen Kolonialvergangenheit widmet. Besonders mit Hinblick auf unsere neue Dauerausstellung, die wir momentan konzipieren, ist es für das DHM zentral, unsere Besucherinnen und Besucher schon jetzt für dieses Thema zu sensibilisieren und es in veränderter Weise zu beleuchten. Die Neugestaltung kann nur ein weiterer, wenngleich unverzichtbarer Zwischenschritt des DHM in der Auseinandersetzung mit der deutschen Kolonialgeschichte und unserer Sammlung sein, der uns die Möglichkeit eröffnet, noch in der aktuellen Dauerausstellung neue Perspektiven für ein breites Publikum zu verankern.“

Begleitheft „Deutscher Kolonialismus“

Begleitend zum neugestalteten Ausstellungsbereich ist die Publikation „Deutscher Kolonialismus“ erschienen, die anhand von vier Überblickskapiteln einen chronologischen Längsschnitt von der Vorgeschichte europäischer Expansion ab dem
15. Jahrhundert über den Zeitraum deutscher Kolonialherrschaft Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts bis zum Umgang mit der kolonialen Vergangenheit in Bundesrepublik und DDR bietet. Daran schließen sich sieben thematische Kapitel zu den einzelnen Kolonien sowie Aspekten wie Rassismus, einheimische Akteurinnen und Akteure oder Kolonialkriege an. Im letzten Teil bietet das Begleitheft didaktische Materialien für den Unterricht. Interviews, Expertenbeiträge und Arbeitsmaterialien zeigen, wie die Auseinandersetzung mit der Geschichte des deutschen Kolonialismus zu einem tieferen Verständnis deutscher Geschichte und Gegenwart beitragen kann.