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Recherchequellen zur Provenienzforschung
Die Provenienzforschung beschäftigt sich mit der Herkunft der Objekte in Museen, Bibliotheken, Archiven und anderen Institutionen mit kulturellen Sammlungsbeständen. Seit Beginn der 2000er Jahre wird die Provenienzforschung insbesondere im Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus und den Verfolgungsmaßnahmen gegenüber ethnisch, religiös oder politische Verfolgten rezipiert (NS-Raubgut). In der letzten Dekade (2010–2020) weitete sich der Fokus auf Entzugskontexte in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) und der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) sowie auf Objekte aus kolonialen Kontexten. Aufgrund seiner Institutionen- und Sammlungsgeschichte sind im Deutschen Historischen Museum (DHM) die Themenkomplexe NS-Raubgut und SBZ-/DDR-Entzugskontexte von Relevanz.
Um herauszufinden, welche Wege die Objekte nahmen, bevor sie ins DHM kamen, müssen oft umfangreiche Recherchen unternommen und zahlreiche Quellen geprüft werden. Eine ganze Reihe dieser Quellen finden sich im DHM selbst – sie geben erste Auskünfte über Erwerbungsvorgänge, Vorbesitzer und die Geschichte eines Objektes. Und manchmal auch darüber, wo es sich lohnt, weiterzusuchen. Aber in welchen Quellenbeständen findet man welche Informationen?
Dr. Heike Krokowski
Auszug aus der Objektdatenbank. Datensatz zu einem Gemälde von Alois Schönn von 1850 © DHM
In der Objektdatenbank ist ein Großteil der Informationen zu einem Objekt hinterlegt. Sie ist das zentrale Arbeitsinstrument für alle Mitarbeiter*innen, die sich mit den Sammlungen im Museum beschäftigen. Relevante Informationen in der Datenbank, die für die Provenienzforschung benötigt werden, sind diejenigen zum direkten Vorbesitzer oder Verkäufer und zur Erwerbungsart (Ankauf, Schenkung, Leihgabe). Auch auf die Frage, ob das Objekt Stempel, Aufkleber oder Aufschriften trägt, findet sich manchmal eine Antwort. Angaben zu weiteren bekannten Vorbesitzern, zum Werk und seinem Entstehungszusammenhang sowie zum Künstler finden häufig ihren Niederschlag in der Objektdatenbank.
Gebundene Inventarbücher des DHM aus den 1990er Jahren © Liane Marr/DHM
Kommt ein neuerworbenes Objekt ins Museum, wird es inventarisiert, d.h. bekommt eine Inventarnummer und wird mit einer Beschreibung, seiner Datierung und seinen Maßen sowie der Erwerbungsart und der Nennung des unmittelbaren Vorbesitzers ins Inventarbuch eingetragen. Heutzutage findet diese Inventarisierung immer auch in elektronischer Form in der Objektdatenbank statt. Die Inventarbücher der Vorgängerinstitutionen Zeughaus und Museum für Deutsche Geschichte (MfDG) sind retrodigitalisiert worden und stehen für hausinterne Recherchen zur Verfügung. Die Inventarbücher des DHM werden aus den Datenbankeinträgen extrahiert und sind im PDF-Format und als gebundene Ausdrucke verfügbar.
Auszug aus dem Inventarbuch (Inventarverzeichnis) Gemälde des Jahres 1998 © DHM
Als wichtige Quelle für die Provenienzforschung enthalten die Inventarbücher des Deutschen Historischen Museums (DHM) summarische Angaben zum Zugang eines Objektes ins Museum wie auch Angaben zum direkten Vorbesitzer und zur Erwerbungsart.
Auszug aus dem (digitalisierten) Inventarbuch des Museums für Deutsche Geschichte von 1966 © DHM
Auch die digitalisierten Inventarbücher des Museums für Deutsche Geschichte (MfDG) enthalten neben der Inventarnummer und Objektbeschreibung Informationen zum unmittelbaren Vorbesitzer, zur Zugangsart und von Fall zu Fall zum Ankaufspreis. Eher selten sind darüber hinausgehende Angaben zu früheren Besitzern zu finden.
Objektakte zum Gemälde von Anton von Werner © Krokowski/DHM
Eine analoge Materialsammlung, die alle über die verwaltungstechnischen hinausgehenden Informationen versammelt, ist die Objekt- oder Handakte. Sie wird von den zuständigen Abteilungsleiter*innen und Sammlungsmitarbeiter*innen gepflegt. Neben Rechnungskopien – zum Teil mit zusätzlichen Informationen zu Provenienzmerkmalen wie Aufklebern oder Vorbesitzern – , Ankaufsbegründungen, kunsthistorische und fachspezifische Informationen zum Werk, zur Werkgeschichte und zum Künstler oder Hersteller kann die Objektakte auch Ausstellungsinformationen und –texte, Literaturhinweise und anderes Recherchematerial enthalten.
Einlieferungsbeleg des Museums für Deutsche Geschichte, Berlin (Ost) aus dem Jahr 1978 © Liesa Andres/DHM
Das Hausarchiv des Deutschen Historischen Museums verwahrt die schriftliche Überlieferung aus allen Abteilungen sowie aus den Vorgängerinstitutionen Zeughaus und Museum für Deutsche Geschichte. Für die Provenienzforschung relevante Bestände sind die Handakten der jeweiligen Sammlungsabteilungen, Erwerbungsunterlagen und Schriftwechsel mit Händlern und Privatanbietern wie zum Beispiel Kaufangebote. Auch die schriftlichen Akten der Kuratorien und der Geschäftsleitung können aussagefähige Zeugnisse wie zum Beispiel Ankaufsbegründungen, Kuratoriumsentscheidungen und ähnliches enthalten.
Meyer‘s Konversations-Lexikon von 1874-1878 © DHM
Die Bibliothek – alles darüber hinaus: Die unterschiedliche Fachliteratur ist im Rahmen der Provenienzforschung selbstverständlich ebenfalls hinzuzuziehen. Die Bibliothek des Deutschen Historischen Museums gehört mit gut 250.000 Bänden mit zu den größten deutschen Museumsbibliotheken. In Nachschlagewerken, Lexika und Enzyklopädien sind oft erste weiterführende Hinweise auf Künstler und Werke zu finden. Auch Ausstellungskataloge und Bestandspublikationen sowie Fachliteratur können Informationen zu einzelnen Objekten oder deren historischen Kontext enthalten.
Suchmaske der Datenbank zum Central Collecting Point München © DHM
Die Website – Recherchedatenbanken zu NS-Raubgut: Das Deutsche Historische Museum stellt auf seiner Website Datenbanken zur Verfügung, die sich auf mögliche NS-Raubkunst-Kontexte durchsuchen lassen. Die Datenbanken zum Kunstbestand des Central Collecting Point (CCP) München und zum „Sonderauftrag Linz“ sollen hier kurz vorgestellt werden.
Trefferliste zum Suchlauf der Münchner Nummer „9055“ © DHM
Central Collecting Point München: Am Ende des Zweiten Weltkriegs stellte die amerikanische Armee ausgelagerte Kunstbestände von NS-Organisationen und –Funktionären in verschiedenen Bergungsorten sicher. Sie wurden in München (NSDAP-Verwaltungsbau und „Führerbau“) zusammengeführt und deponiert. Darunter befand sich ein Großteil von beschlagnahmten Kunstwerken aus den besetzten Ländern. Sie sollten an die jeweiligen Besitzer zurückgegeben bzw. in die Herkunftslänger zurückgeführt werden. Neben dem CCP in München, in dem vor allem zu restituierende Kunstwerke zusammengeführt wurden, gab es weitere Sammelstellen: Im CCP Offenbach befanden sich größtenteils Bibliotheksbestände, aber auch Judaica (religiöse Kultur- oder Zeremonialobjekte) und kunstgewerbliche Objekte. In den CCP Marburg und den CCP Wiesbaden kamen überwiegend deutsche Museumsbestände, insbesondere aus Berliner Museen, die kriegsbedingt verlagert worden waren.
Karteikarte der Restitutionskartei zum gesuchten Gemälde von Alois Schönn, Münchener Nummer „9055“ © DHM
Die Datenbank des CCP München lässt sich mit einer erweiterten Suchmaske unter anderem nach dem Künstlernamen, einem Werktitel, einer Provenienz (Vorbesitzer) oder der Münchener Depotnummer durchsuchen.
Suchmaske der Datenbank „Linzer Sammlung“ auf der DHM-Website © DHM
Linzer Sammlung: Ab Sommer 1939 begann der „Sonderauftrag Linz“ im Auftrag von Adolf Hitler hochwertige Kunstwerke für das geplanten „Führermuseum“ der europäischen Kunst in der österreichischen Stadt Linz zusammenzutragen. Neben den Kunstgegenständen aus Malerei, Graphik und angewandter Kunst, die Adolf Hitler bis zu diesem Zeitpunkt privat erworben hatte, wurden tausendfach Ankäufe auf dem Kunstmarkt in Deutschland und ab 1940 in den besetzten Ländern getätigt. Zahlreiche Kunsthändler im In- und Ausland kooperierten mit dem „Sonderlauftrag Linz“. Sie vermittelten der Organisation nicht nur unbedenkliche Kunstobjekte, sondern oftmals auch Werke aus beschlagnahmten (jüdischen) Sammlungen. Zu Kriegsende wurden die im Laufe der Jahre mehr als 6600 zusammengekauften und –geraubten Gemälde, Graphiken, Skulpturen, Möbel und Tapisserien von der US-Armee im österreichischen Salzbergwerk Altaussee sichergestellt und nach München in den Central Collecting Point transportiert.
Datenbankeintrag zum gesuchten Gemälde von Alois Schönn, Linzer Nummer „320“ © DHM
Die Datenbank lässt sich nach der Inventarnummer der Linzer Sammlung, der Münchener Nummer aus dem CCP, dem Künstler- oder Werknamen sowie einem möglichen Vorbesitzer oder Aufbewahrungsort durchsuchen.